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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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während sie sich vom Konzertgebäude entfernten.

8
    Unterdessen in Paris …
    N achdem Arsène Lupot durch seinen Freund, den Geigenbauer Roberto Clemente, erfahren hatte, dass Ane Larrazábal ermordet worden war, schaltete er den Fernseher ein, weil er wissen wollte, ob die Neuigkeit schon bis in die Medien vorgedrungen war. Doch in den Nachrichten wurde der Mord nicht erwähnt.
    Er schenkte sich ein Glas Armagnac ein, zündete sich eine der Cohiba Minis an, die er gerne bei Einbruch der Dämmerung rauchte, und dachte über das Geschehene nach.
    Nach wenigen Minuten beschloss er, seine beiden spanischen Freunde nochmals anzurufen. Diesmal nahm Clemente selbst das Gespräch an.
    »Hallo, Arsène. Ich habe gerade zu Natalia gesagt, dass du uns gar nicht erzählt hast, weswegen du eigentlich angerufen hattest.«
    »Es kann sein, dass ich in ein paar Tagen nach Madrid reise, und da wollte ich fragen –«
    »Ob du bei uns wohnen kannst?«, unterbrach ihn Clemente. »Da brauchst du nicht zu fragen, Arsène, du weißt doch, dass hier immer Platz für dich ist. Wann kommst du?«
    »Das weiß ich noch nicht. Morgen möchte ich mit dem Círculo de Bellas Artes sprechen – die haben mich um einen Vortrag gebeten, aber ich habe keine Ahnung, mit wie viel Vorlauf sie arbeiten. Haben sie im Radio etwas über Larrazábal gesagt?«
    »Ja«, erwiderte Clemente. »Auf Radio Nacional, wo das Konzert übertragen wurde, haben sie gerade gesagt, dass sie tot ist.«
    »Aber nicht, wie sie gestorben ist?«
    »Nein.«
    »Woher wisst ihr – Natalia und du –, dass es kein Unfall war, sondern Mord?«
    »Nach der Pause haben sie das gesamte Publikum gebeten, den Saal zu räumen, und als wir gingen, trafen wir einen Bratschisten des Orchesters, der in der Orchestergarderobe gehört hatte, sie sei erwürgt worden.«
    »Erwürgt! Mein Gott!«
    »Hattest du viel mit ihr zu tun?«
    »Ehrlich gesagt nein. Ane Larrazábal war eine meiner neuesten Kundinnen. Weil sie gerne Französisch sprach, wenn sie zu uns kam, haben wir uns allerdings zwei Mal länger unterhalten. Vor eineinhalb Jahren hat sie mir die Geige zum ersten Mal zur Generalüberholung gebracht. Beim zweiten Mal kam sie, wie du weißt, um sich eine Schnecke in Form eines Teufelskopfs anbringen zu lassen.«
    »Arsène, sollte sich herausstellen, dass sie, wie ich fürchte, wegen dieser Geige ermordet worden ist –«
    »Haben sie etwas über das Instrument gesagt?«
    »Bis jetzt nicht, aber hast du Zweifel daran, dass sie gestohlen wurde?«
    »Ehrlich gesagt nicht.«
    »Meinst du nicht, du solltest dich mit der Polizei in Verbindung setzen und denen erzählen, woher das Instrument stammt?«
    Arsène Lupot tat einen tiefen Zug an seiner Cohiba, ehe er antwortete.
    »Das war vor sechzig Jahren, Roberto. Und außerdem ist es nur eine Vermutung.«
    »Aber wenn sie doch etwas mit der Sache von heute Abend zu tun hat?«
    »Ich glaube nicht, dass die Polizei mich anhören würde. Die haben bestimmt jede Menge zu tun, und ich bin nur ein alter Mann, der Instrumente baut.«
    Roberto Clemente spielte auf eine Unterhaltung an, die sie am Tag nach Ane Larrazábals erstem Besuch in Lupots Werkstatt vor achtzehn Monaten geführt hatten. Damals hatte Lupot ihm erklärt, er sei überzeugt, dass Larrazábals Stradivari in Wirklichkeit das Instrument sei, das der legendären französischen Geigerin Ginette Neveu gehört hatte, die mit gerade einmal dreißig Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war.
    Neveu galt zu ihrer Zeit als eine der größten Geigerinnen. Ihre Anhänger wurden nicht müde, darauf hinzuweisen, dass sie bereits 1934 im zarten Alter von fünfzehn Jahren den Internationalen Henryk-Wieniawski-Violinenwettbewerb gewonnen hatte, an dem 180 Geiger teilgenommen hatten, unter ihnen der Russe David Oistrach, der den zweiten Platz belegte. Wenn man bedenkt, dass Oistrach als einer der drei größten Geiger in die Geschichte eingegangen ist und Neveu ihn damals besiegte, kann man sich – selbst als Laie – leicht ausmalen, was für ein Talent die Französin besessen haben muss.
    Die Neveu hatte einen unverwechselbaren Klang, kristallklar und zugleich kraftvoll, und damit verzauberte sie ihre Zuhörer auf der ganzen Welt, bis sie nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges ihre Konzertreisen einstellen musste, woraufhin sie sich auf Schallplattenaufnahmen konzentrierte. Nachdem sie eine Zeitlang in Südamerika Zuflucht gesucht hatte, beschloss sie nach dem Krieg, ihre

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