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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Salvador, »ich wollte nichts dergleichen unterstellen. Sie sind Zeuge, kein Verdächtiger, und schon gar kein Beschuldigter. Ich wollte nur sagen, dass ein ganzes Heer von Leuten bestätigen kann, dass Sie nach dem ersten Teil des Konzerts in der Garderobe waren, bis Sie vom Tod Ihrer Verlobten erfuhren. Sie ahnen ja nicht, wie viele Scherereien Ihnen das im Verlauf der Ermittlungen erspart. Sie hatten nicht nur keinen Grund, sie zu töten, wie Sie soeben sagten, sondern Sie hätten das Verbrechen gar nicht verüben können, selbst wenn Sie ein Motiv hätten – es sei denn, wir beweisen, dass Sie an zwei Orten gleichzeitig sein können.«
    »Ich bleibe bei dem, was ich Ihnen gerade sagte, und meine Kollegen können es Ihnen bestätigen«, bekräftigte Rescaglio feierlich. »Wie gesagt, ich möchte der Polizei in jeder Hinsicht behilflich sein, aber eine Frage stellt sich mir doch: Wie kann meine Aussage Ihnen helfen, wenn ich die ganze Zeit in der Garderobe war und weder etwas gesehen noch gehört habe?«
    »Das kann man nie wissen. Manchmal erweist sich ein scheinbar nichtssagendes Detail als entscheidend für die Ermittlungen. Da ist zum Beispiel etwas, was mir besonders auffällt«, fuhr Salvador fort. »Der Gerichtsmediziner hat mir gesagt, dass die Leiche Ihrer Verlobten keine äußeren Verletzungen aufweist, abgesehen von denen durch die Strangulierung. Natürlich muss man die Autopsie abwarten, aber mit bloßem Auge sind keine Quetschungen, blauen Flecke, Kratzer oder Abschürfungen zu entdecken. Das macht es sehr wahrscheinlich, dass Ihre Verlobte nicht gewaltsam in den Chorsaal gebracht wurde, sondern sich freiwillig dorthin begab. Warum könnte sie aus eigenem Antrieb diesen abgelegenen Saal aufgesucht haben?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Vielleicht hat sie die Kantine gesucht und sich verlaufen, wie Agostini.«
    »Klingt unwahrscheinlich. Agostini ist ja nur ein Gastdirigent, der sich im Auditorio nicht unbedingt auskennt. Aber Ihre Verlobte hatte schon ein paar Mal hier gespielt, oder?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Dann wird sie sich wohl kaum verlaufen haben.«
    »Sie haben recht. Kann es nicht sein, dass sie woanders ermordet wurde und man ihre Leiche erst danach in den Chorsaal gebracht hat?«
    Salvador verzog das Gesicht – diese Möglichkeit erschien ihm nicht allzu wahrscheinlich.
    »Zu welchem Zweck? Der Mörder hätte riskiert, beim Transport der Leiche von einem Hausmeister oder irgendeinem Musiker entdeckt zu werden.«
    »Vielleicht hat sie sich in der Garderobe gelangweilt und beschlossen, spazieren zu gehen. Oder vielleicht ist sie in den Chorsaal gegangen, weil dort ein Klavier steht.«
    »Gibt es denn nicht in jeder Garderobe eines?«, wandte der Inspector ein.
    »Das sind Übungsklaviere, Pianinos. Sie klingen nach koreanischem Plastik. Im Chorsaal dagegen steht ein Flügel, von Yamaha, einer von den guten.«
    »Ihre Verlobte spielte auch Klavier?«
    »Nicht gut genug für Konzerte natürlich, aber sie kam ganz gut zurecht. Denken Sie daran, sie war musikalisch hoch begabt.«
    »Warum könnte sie nach dem Konzert Klavier spielen gewollt haben?«
    »Das weiß ich nicht. Um sich zu entspannen vielleicht. Für sich selbst zu spielen, ist etwas völlig anderes, als es vor Publikum zu tun.«
    Bei dieser Mutmaßung verzog Salvador unwillkürlich skeptisch das Gesicht.
    »Lassen Sie uns da doch rational herangehen: Ihre Verlobte hatte ihren Auftritt bereits hinter sich, denn im zweiten Teil war sie nicht vorgesehen. Was wäre das logischste Verhalten gewesen?«
    »Immer vorausgesetzt, dass das Verhalten der Frauen überhaupt irgendeiner Logik folgt«, sagte Rescaglio komplizenhaft und lief damit bei seinem Gesprächspartner offene Türen ein. »Manchmal ging Ane in solchen Fällen in die Kantine, um etwas zu trinken. Im Allgemeinen ein Bier, das trank sie sehr gern.«
    »Das ist alles?«
    »Danach ging sie normalerweise zurück in die Garderobe, um auf ihre Fans zu warten, die aber erst nach Ende des Konzerts zu ihr durften.«
    »Blieb sie immer bis zum Ende des Programms?«
    »Nicht immer. Wenn sie wusste, dass im Auditorio keine Freunde, Angehörigen oder andere Leute saßen, die sie gerne gesehen hätte, dann verließ sie manchmal auch das Konzerthaus, sobald der erste Teil vorbei war. Aber oft setzte sie sich auch ins Publikum, um sich den zweiten Teil anzuhören. Im konkreten Fall von Bartók, den man gestern Abend gespielt hätte, hatte sie genau das vor, denn den liebte sie.

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