Die Violine des Teufels
in der Presse könnte schon reichen.«
»Nicht dass ich wüsste. Obwohl … Nein, vergessen Sie’s. Das ist zu belanglos.«
»Bitte, Señor Rescaglio, jede Einzelheit kann wichtig sein für die Ermittlungen. Was wollten Sie sagen?«
»Einer der vier Posaunisten des Spanischen Nationalorchesters, der Schwede Ove Larsson, ist ein ganz guter Freund von mir. Er mag Cellomusik sehr, und ich habe ihm ein bisschen Unterricht gegeben. Tja, und vor ein paar Monaten erzählte er mir, er hätte im schwedischen Fernsehen eine Gruppe junger islamischer Fundamentalisten gesehen, die in Göteborg versucht hätten, schwedische Muslime, fast alle somalischer Herkunft, am Besuch eines Konzerts zu hindern. Ove hat mir auch gesagt, dass auf arabische Frauen in ganz Skandinavien immer mehr Druck ausgeübt wird. Sie sollen nicht musizieren oder tanzen, weil das verboten sei.«
»Wie bitte? Der Islam verbietet auch die Musik? Ich dachte, sie würden sich in ihrem Fanatismus darauf beschränken, kein Abbild vom Menschen zu schaffen – Sie wissen schon, die berüchtigten Karikaturen, die in der Presse veröffentlicht wurden. Und darauf, den Namen ihres Propheten nicht grundlos auszusprechen.«
»Das dachte ich auch, aber Ove hat mir erklärt, dass es innerhalb der sunnitischen Muslime eine sehr konservative Richtung gibt, die Wahhabiten, die verfügt haben, dass die Musik vom Koran verboten wird.«
»Verstehe. Aber was kann das mit Ihrer Verlobten zu tun haben? Da geht es doch um Skandinavien.«
»Ane hat in den letzten Monaten mehrere Konzerte in Schweden gegeben: Stockholm, Malmö, Göteborg. Und ihre nächste CD wollte sie mit einem ganz bestimmten Orchester aufnehmen. Haben Sie schon einmal vom West-Eastern Divan Orchestra gehört?«
An der verwirrten Miene des Polizisten erkannte Rescaglio, dass er noch nie von diesem berühmten Orchester gehört hatte, das der Dirigent Daniel Barenboim 2002 gründete, um die Eintracht zwischen Israelis und Palästinensern zu fördern, und das aus Musikern beider Völker besteht.
»Das Orchester veranstaltet jedes Jahr eine Art Sommerschule in Sevilla. Ane war letztes Jahr da und hat Meisterklassen für Violine gegeben, und Barenboim lud sie ein, mit ihnen eine Bearbeitung von Schelomo für Violine und Orchester aufzunehmen – das ist eine hebräische Rhapsodie eines Komponisten jüdischer Abstammung namens Ernst Bloch.«
»Wo sollte diese CD aufgenommen werden?«
»In Barcelona.«
Salvador trommelte mit dem Kugelschreiber auf der Kante des Notizbüchleins. Es war ein rhythmisches, beinahe musikalisches Trommeln, kein Anzeichen von Nervosität, und Rescaglio merkte, dass der Inspector sich für seine Theorie erwärmte.
»Was Sie mir da erzählen, ergibt Sinn«, räumte der Polizist schließlich ein. »Ich bin kein Experte für islamistischen Terrorismus, aber bekanntlich befindet sich in der Umgebung von Barcelona momentan das bekannteste Rekrutierungsdreieck für den Dschihad in Europa: Badalona, Santa Coloma und Sant Adrià. Jeden Monat reisen zwischen drei und fünf Muslime aus der Gegend in den Irak oder nach Afghanistan, um dort zu Terroristen ausgebildet zu werden.«
»Könnte doch sein, dass Anes Entscheidung, dort mit muslimischen Musikern eine Platte aufzunehmen, den Zorn der Wahhabiten erregt hat, oder?«
»Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Hat Ihr schwedischer Freund auch erklärt, warum die Musik nach Meinung dieser Fanatiker verboten ist?«
»Ihrer Meinung nach ist die Musik haram – das ist das Wort, mit dem Muslime all das bezeichnen, was verboten ist. Offenbar kommt auch das Wort ›Harem‹ daher, es ist ja der verbotene Bereich, in dem die Dame des Hauses lebt.«
»Ich verstehe es immer noch nicht. Warum ist Musik haram? «
»Das Verbot steht nicht im Koran. Ove Larsson hat mir versichert, dass es nicht einen einzigen Vers in diesem heiligen Buch gibt, in dem die Musik ausdrücklich verboten wird. Das Problem ist die Sunna, das ist die mündliche Überlieferung der Reden und Taten des Propheten. Eben weil es sich um ein nicht schriftlich fixiertes Korpus von Regeln handelt, sind sich nicht einmal die Muslime selbst darüber einig, welche Rolle die Musik in ihrer Kultur spielt. Aber anscheinend sind die, die gegen die Musik sind, so unnachgiebig, dass sie sogar die Handyklingeltöne verbieten. Die Begründung lautet, dass Lieder und besonders Instrumentalmusik zum Ungehorsam einladen und von daher verbannt werden müssen, weil sie die Menschen ablenken und
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