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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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französische Publikum die beunruhigenden neuartigen Töne, die Saint-Saëns für das Xylofon ersonnen hatte und welche die klappernden Knochen der Toten heraufbeschwören sollten, nicht sonderlich begeistert auf.
    Natürlich durfte in Larrazábals Auswahl auch Paganinis berühmtestes mit dem Teufel assoziiertes Stück nicht fehlen: Le Streghe  – der Hexentanz –, Variationen für Violine und Klavier, das auf einem Ballett aus dem neunzehnten Jahrhundert beruhte, welches die Ankunft einiger Hexen in einem verwunschenen Wald schildert. Das Werk ist derart mit technischen Schwierigkeiten gespickt, und seine Melodien sind teilweise so unheilverkündend, dass ein Zuhörer bei der Erstaufführung durch Paganini in Wien zu schwören bereit war, er habe auf der Bühne den Teufel gesehen, der Paganini den Bogen geführt habe.
    Irgendwann muss der Geiger wohl doch zu dem Schluss gekommen sein, dass diese obsessive Verbindung seiner Person mit Luzifer ihm schadete. Er veröffentlichte einen anrührenden Brief seiner Mutter, in dem diese viel von Gott sprach, um den Gerüchten, er sei des Teufels Sohn, entgegenzutreten. Doch mit dieser Strategie hatte er keinen Erfolg, vor allem auch, weil ihm infolge einer schlimmen Entzündung sämtliche Zähne gezogen werden mussten, was seine wilde Miene noch schauriger aussehen ließ.
    Außerdem huldigte Larrazábal auf ihrer Platte zwei spanischen Komponisten mit mephistophelischen Konnotationen: Einer war der große Pablo Sarasate, der neben Paganini als der größte Geigenvirtuose der Geschichte galt und die Faust-Fantasie für Violine und Orchester komponiert hatte. Der andere war Manuel de Falla, der für das Ballett El amor brujo einen »Tanz des Schreckens« komponiert hatte, der Lupot noch nach unzähligem Hören stark beeindruckte.
    Nun war Ane Larrazábal tot. Doch das Instrument, mit dem all diese Musik aufgenommen worden war – vielleicht die außergewöhnlichste Geige, die Lupot je in Händen gehalten hatte –, hatte die Geigerin überlebt und befand sich nun in der Gewalt ihres Mörders. Wenn sein Freund Roberto Clemente recht hatte und die Geige Unglück brachte, dann wollte Lupot um nichts auf der Welt in der Haut desjenigen stecken, der sie gestohlen hatte.

14
    Madrid, 48 Stunden nach dem Verbrechen
    U m neun Uhr dreißig morgens fuhr Manuel Salvador in die Werkstatt, um sein Auto, ein titanfarbenes BMW-Coupé, abzuholen. Die Rückgabe des Wagens hatte sich verzögert, und nun musste Salvador auch noch die umständlichen Erklärungen des Werkstattbesitzers über sich ergehen lassen: Sie hätten sehr viel Arbeit gehabt, und zudem sei der Mechaniker, der sich um den Wagen kümmern sollte, plötzlich erkrankt, weshalb man jemand anderen habe einsetzen müssen.
    Richtig wütend wurde Salvador jedoch, als er feststellte, dass der Ersatzmechaniker nicht wie üblich den Innenraum zum Schutz vor Ölflecken mit Plastikfolie abgedeckt hatte und das Lenkrad völlig verschmiert war. Außerdem bemerkte er, dass der Verschluss des Sicherheitsgurts nicht ordnungsgemäß funktionierte und der Tank halb leer war. Der Werkstattbesitzer bot an, die Mängel zu beheben, doch Salvador erwiderte verärgert, er habe bereits lange genug gewartet. Die Rechnung werde er bezahlen, sobald er sich davon überzeugt habe, dass der Mechaniker in seinem Fahrzeug nicht noch mehr Unheil angerichtet hatte.
    Die nächste Zeugin, die der Inspector befragen wollte, war Ane Larrazábals rechte Hand, die allem Anschein nach allmächtige Carmen Garralde, mit der er sich für den Mittag in ihrer Wohnung in Las Vistillas verabredet hatte.
    Bis dahin blieb noch genügend Zeit für seinen allwöchentlichen Besuch in der Stiftung West-Syndrom, einem privaten Verein von Eltern, deren Kinder unter dieser schrecklichen Krankheit litten.
    Seit wenigen Monaten gehörte auch Salvador zu diesen Eltern – seit bei seinem zweiten Sohn, dem kleinen Nicolás, in dessen fünftem Lebensmonat erstmals die dramatischen Symptome dieser degenerativen Erkrankung aufgetreten waren, an der eins unter sechstausend Kindern leidet. Zunächst hatte der Säugling allmählich aufgehört zu lächeln, nach Gegenständen zu greifen oder ihnen mit dem Blick zu folgen; er hatte grundlos zu weinen begonnen und war sehr reizbar geworden. In Rekordzeit war die Krankheit diagnostiziert worden, und ebenso rasch war dem Inspector klargeworden, dass das West-Syndrom schwere irreversible neurologische und psychomotorische Folgeerscheinungen mit

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