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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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deren Licht nur die Oberseite ihres Kopfes beleuchtete, so dass Perdomo ihre Augen nicht erkennen konnte, nicht einmal, ob sie offen standen oder geschlossen waren.
    »Anes Großvater beging 1966 Selbstmord«, sagte Garralde und unterbrach damit das mittlerweile drückende Schweigen. »Am 27. Mai ging er auf die Ponte 25 de Abril in Lissabon, die damals noch Salazar-Brücke hieß, und sprang ins Wasser. Vielleicht hätte er sogar überlebt, wenn nicht ein riesiger Schlepper ihn überfahren und mit der Schiffsschraube zerstückelt hätte.«
    »Was für ein grauenvoller Tod«, sagte Perdomo.
    »Und dazu an einem schicksalhaften Datum«, fügte Garralde hinzu. »Auch Paganini starb am 27. Mai, und Ane ebenfalls.«
    Perdomo schwieg. Tatsache war, wenn diese Übereinstimmung reiner Zufall war, dann ein ziemlich beklemmender. Doch Perdomo war nicht bereit, irgendeinen übernatürlichen Zusammenhang zwischen den drei Todesfällen herzustellen.
    »Es gibt keinen Anlass zu der Vermutung, dass es zwischen diesen drei Todesfällen eine Verbindung gibt, meinen Sie nicht?«
    Garralde antwortete nicht. Ihre Augenhöhlen waren zwei schwarze Löcher, undurchdringlich und geheimnisvoll.
    »Was passierte nach dem Tod des Großvaters mit der Geige?«
    »Sein Sohn, Anes Vater, wollte sie nicht einmal anfassen. Er sagte, da sei etwas an ihrem Klang, das ihm unangenehm sei – die Geige möge ihn nicht  –, und so spielte er weiter auf seiner eigenen Geige, einer Montagnana von 1721. Sie ist ebenfalls ein ausgezeichnetes Instrument, aber mit der Strad kann sie sich natürlich nicht vergleichen. Deshalb ging die Strad direkt an Ane über, sobald sie alt genug war, um sie zu spielen.«
    »Dürfte ich ein Foto der Geige sehen?«
    »Sicher. Warten Sie hier und genießen sie den Velázquez-Himmel über Madrid.«
    Carmen Garralde ging hinein und kam kurz darauf mit einer Aktenmappe aus schwarzem Leder zurück, in der zahlreiche Fotos der gestohlenen Geige steckten. Sie legte die Mappe auf die breite Brüstung der Terrasse und zeigte Perdomo die Fotos. Auf einigen war die Geige von vorn zu sehen, auf anderen von der Seite, und etwa ein halbes Dutzend bildeten spezielle Details ab wie den Wirbelkasten, die Schnecke oder den Steg.
    »So sah die Violine aus, bevor Lupot die Schnecke umgearbeitet hat.« Garralde deutete auf eines der Bilder. »Auf dem nächsten Foto ist sie in ihrem derzeitigen Zustand zu sehen, mit dem Kopf, den Lupot auf Anes Wunsch geschnitzt hat.«
    Der verderbte Blick des Teufels war so wild, dass Perdomo kurz fortschauen musste, um sich zu fassen.
    »Warum hat sie sich diesen Kopf schnitzen lassen?«
    »Früher war es relativ weit verbreitet, dass die Saiteninstrumente von einem Kopf gekrönt wurden, fast immer von einem Tierkopf. Wie gesagt, Ane war davon überzeugt, dass ihre Stradivari Paganini gehört hatte, und da dieser immer mit dem Teufel in Verbindung gebracht wurde, fand sie, dass dieser Teufelskopf das beste Mittel sei, um aller Welt die Herkunft des Instruments zu verkünden.«
    »Er ist sehr verstörend. Woher hatte sie den Entwurf?«
    »Sie erzählte mir, es sei ein Kopf von Baal, den sie in Jerusalem fotografiert hatte, nach einem Konzert in der Henry Crown Symphony Hall. Falls Sie die Stadt kennen, wissen Sie, dass es im südlichen Teil, in der Nähe des Jaffators, eine Gegend namens Tal von Hinnom gibt. In diesem Tal verehrten die frühen Israeliten heidnische Götter wie Moloch und Baal und brachten Menschenopfer dar. Dabei wurden auch Kinder bei lebendigem Leibe verbrannt. Nachdem die Israeliten aus Babylon zurückgekehrt waren, galt das Tal bei ihnen als verrufener Ort, und die ganze Gegend wurde zu einer Müllkippe. Dorthin warf man zum Beispiel die Leichen der Hingerichteten, und der Verwesungsgeruch der Leichen und Tierkadaver war so schlimm, dass man die Abfälle permanent verbrennen musste. Tag und Nacht sah man im Tal von Hinnom die Scheiterhaufen flackern. Es heißt sogar, Judas hätte sich dort an einem Baum erhängt.«
    »Seltsame Legende«, sagte Perdomo, bemüht, sich seine Skepsis nicht anmerken zu lassen.
    »Das ist keine Legende, Inspector. Das Tal von Hinnom hat es wirklich gegeben, mit all den grauenvollen Dingen, die dort geschahen. Der griechische Name ist Gehenna, das ist die Hölle der Juden.«
    »Wollen Sie etwa sagen, dass der Kopf, den Larrazábal für ihre Geige schnitzen ließ, direkt aus der Hölle stammt?«, fragte Perdomo, sichtlich beunruhigt über das, was Garralde ihm

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