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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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ihm an den eigenen Kopf, damit er die Beule betasten konnte, und ihrer beider Hände blieben einige Sekunden länger als unbedingt nötig aufeinander liegen.
    Zunächst plauderten sie ein wenig, und Elena behauptete, auch sie habe einen harten Schädel. Perdomo erklärte ihr, wie es kam, dass er nun die Ermittlung leitete. Dann bemerkte er: »Ich habe Sie gar nicht bei der Probe gesehen.«
    »Weil ich nicht mitspiele. Lledó scheint finster entschlossen, nur noch Werke ins Programm aufzunehmen, in denen keine Posaunen vorkommen, sicher um mich zu ärgern.«
    »Wenn Sie heute gar nicht spielen, was tun Sie dann hier mit der Posaune?«
    »Ich spiele auch in einer Jazzband, mit Georgy, dem Tubaspieler, den Sie neulich kennengelernt haben, und anderen Musikern. Wir proben in einem Lokal ganz in der Nähe, und weil ich zu früh dran war, bin ich reingekommen, um ein bisschen bei den Proben zuzuhören. Und Lledó nervös zu machen.«
    Dann warf sie einen Blick auf den Flügel. »Was haben Sie denn da im Flügel gesucht?«
    »Ich weiß es selbst nicht«, log Perdomo.
    »Herrje«, stieß Elena Calderón hervor und ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Wenn man bedenkt, dass erst vor wenigen Tagen hier in diesem Raum die arme Ane ermordet wurde – schrecklich.«
    »Ja. Ob es uns gefällt oder nicht, Orte, an denen so etwas geschieht, bleiben für immer von dem Verbrechen gezeichnet, das dort verübt wurde.«
    Elena Calderón nahm den Posaunenkoffer wieder auf.
    »Dann will ich Sie mal arbeiten lassen, Señor Perdomo.«
    Doch der Inspector hielt sie zurück, denn er fürchtete, dass sich nie wieder eine solche Gelegenheit zu dem ersehnten ersten Schritt ergeben würde.
    »Du kannst mich Raúl nennen. Es ist so, ich müsste einmal mit einem professionellen Musiker über die Geige meines Sohnes sprechen.«
    »Auf dem Konservatorium hatte ich Geige als zweites Instrument, ich kann dir also helfen. Worum geht es denn?«
    Perdomo erzählte ihr von Gregorios Unfall in der Metro. Sie tauschten Telefonnummern aus und vereinbarten, dass die Posaunistin in den nächsten Tagen bei ihm zu Hause vorbeikommen würde, um sich die Geige des Jungen anzusehen und zu beurteilen, ob eine Reparatur noch Sinn hatte oder man besser ein neues Instrument kaufte.

28
    J oan Lledós Büro lag im obersten Stockwerk des Auditorio und war ein schöner, heller Raum mit einem gemütlichen hellbraunen Teppichboden, auf dem ein Stutzflügel stand, dessen Deckel geschlossen und mit Partituren übersät war. Der Schreibtisch im hinteren Teil des Raums wirkte zwergenhaft, verglichen mit den Bücher- und Papierstapeln, die er tragen musste und die sich so hoch türmten, dass Perdomo den Eindruck hatte, schon ein leichtes Niesen könne diverse Papierstapel zum Einsturz bringen. In einer Ecke des Raumes stand ein Notenständer, auf dem ein großer Block mit den Proben- und Konzertterminen der nächsten Tage klemmte. Außer den großen Fenstern, an denen nur durchscheinende Gardinen hingen, die viel Licht hereinließen, gefiel Perdomo auch das Arbeitsklima, das der Raum verströmte – ganz anders als in jenen Notarbüros mit den makellosen, pedantisch aufgeräumten Schreibtischen, die ihre Besitzer nur dann und wann benutzten, um hochtrabend ihre Unterschrift unter ein Dokument zu setzen und dafür obendrein ein Vermögen zu kassieren.
    Lledó sagte, er müsse noch einen Anruf tätigen, und Perdomo nutzte die Wartezeit, um die Fotos und Urkunden an einer Wand zu betrachten.
    Bei den meisten Fotos handelte es sich um Aufnahmen des Dirigenten selbst in Begleitung anderer Musiker, hauptsächlich Solisten, die Perdomo nicht kannte. Natürlich durfte auch das abgedroschene Foto mit dem König nicht fehlen. Perdomo hatte es bereits in so vielen Büros gesehen, dass er sich allmählich fragte, ob es nicht eher ein Zeichen von Besonderheit war, wenn jemand kein Bild des spanischen Monarchen bei sich hängen hatte – der sich überdies nicht gerade durch seine Musikbegeisterung auszeichnete.
    Als Perdomo schon glaubte, er habe alle Fotos in dieser kunterbunten Wandpräsentation betrachtet, fielen ihm zwei kleine Schwarz-Weiß-Fotografien ins Auge, und sofort wich die Behaglichkeit, die er bisher in diesem Raum empfunden hatte, einem mehr als gerechtfertigten Unbehagen.
    Es waren zwei Fotos von Adolf Hitler.
    Auf dem ersten war das Gesicht des finsteren Diktators nicht sehr gut zu sehen. Er saß mit dem Rücken zum Betrachter neben der gesamten Führungsriege des

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