Die Violine des Teufels
sprich: ein Beschluss, nicht nur eine einfache Verfügung. Verfügungen dienten lediglich zur Entscheidung über Verfahrensfragen oder Hilfsanträge. Doch für einen so schwerwiegenden Eingriff in ein so grundlegendes Recht, wie es das Fernmeldegeheimnis war, war ein richterlicher Beschluss erforderlich.
Das Dokument hingegen, das Galdón sich hatte ausstellen lassen, war nicht nur juristisch nicht begründet, sondern enthielt obendrein auch noch Rechtschreibfehler – ein eindeutiges Anzeichen für die Eile, mit der es ausgefertigt worden war.
»Das gefällt mir nicht«, protestierte Perdomo. »Das gefällt mir überhaupt nicht. Stell dir vor, wir bekommen durch das Abhören etwas heraus. Da wir keinen begründeten Beschluss haben, können sie alles, was wir durch das Abhören der Telefone erfahren, nachträglich für rechtsunwirksam erklären.«
»Das braucht dich jetzt noch nicht zu kümmern«, beschwichtigte ihn Galdón. »Was wir da tun, tun wir mit richterlicher Genehmigung, und auf jeden Fall wird es der Richter sein, der gegebenenfalls Rede und Antwort zu stehen hat, und nicht wir. Jetzt zählt nur die Gegenwart. Das Ermittlungsverfahren ist nichtöffentlich, niemand wird etwas davon erfahren, dass wir Telefone abhören, außer dem Richter und der Staatsanwältin, und der geht es wie uns: Sie braucht unbedingt zumindest einen Verdächtigen. Ich garantiere dir, die sagt keinen Ton.«
Perdomo trat erneut zwischen den Comisario und die Tür.
»Aber was willst du damit überhaupt erreichen? Der Verlobte hat ein Alibi. Hast du Salvadors Bericht denn nicht gelesen? Und außerdem habe ich ihn am Tatabend gesehen: Er war am Boden zerstört.«
»Reines Theater«, versicherte ihm Galdón. »Das riecht nach einem Verbrechen aus Leidenschaft.«
»Und Garralde kann es nicht gewesen sein. Larrazábal war ihre Gans mit den goldenen Eiern – jetzt ist sie tot.«
»Sie ist eine Lesbe, oder? Womöglich hat sie es aus Hass getan, um zu verhindern, dass Larrazábal den Italiener heiratet.«
»Und Lledó?«, fragte Perdomo. »Theoretisch hätte er es tun können, weil er im Auditorio war und ihn in der Pause lange niemand gesehen hat, aber er könnte sie nicht so fachgerecht stranguliert haben – er war noch nie in einer Kampfsportschule.«
»Hast du das überprüft?«
»Dazu war noch keine Zeit, ich habe ihn ja erst heute Morgen befragt. Aber er ist auch kein Dummkopf, er würde es nicht riskieren, die Polizei in einer Frage, die so leicht zu überprüfen ist, so dreist zu belügen.«
»Du würdest staunen, wie dumm die Leute sich anstellen, wenn sie unter Druck stehen. Ach, verdammt, Perdomo, wegen dir verpasse ich noch meinen Zug, aber ich will, dass du dir das hier anhörst. Villanueva, spiel ihm die Aufnahme vor.«
Der Subinspector schaltete ein kleines digitales Aufnahmegerät ein, das auf dem Tisch stand, und Perdomo erkannte sofort die Stimme Joan Lledós, den er gerade erst in seinem Büro befragt hatte. Villanueva sagte ihm, Lledós Gesprächspartner sei Alfonso Arjona, der Leiter der Agentur Hispamúsica. Perdomo fiel wieder ein, dass Arjona derjenige gewesen war, der dem Publikum am Tatabend den Abbruch des Konzerts mitgeteilt hatte. Er war der renommierteste Konzertveranstalter des Landes und rühmte sich freundschaftlicher Beziehungen zu praktisch sämtlichen Größen der klassischen Musik, von Claudio Abbado bis hin zu Daniel Barenboim.
»Ich habe die Nase voll davon, immer übergangen zu werden!«
»Das hat nichts mit übergehen zu tun, Joan, es ist einfach so, dass manche Künstler nicht mit dir spielen wollen, okay? Wenn ein Mischa Maisky, eine Martha Argerich oder wie neulich eine Ane Larrazábal – sie ruhe in Frieden – uns sagen, dass sie gerne im Auditorio auftreten, aber lieber unter einem anderen Dirigenten, dann können wir nicht nein sagen, das musst du doch verstehen.«
»Natürlich könnt ihr, ihr wollt nur nicht.«
»Ich schwöre dir, dass ich mich nach Kräften für dich einsetze. Frag Manzano, wenn du willst.«
»Welchen Manzano?«
»Den Dirigenten des Teatro Real. Ist er nicht ein Freund von dir?«
»Doch, aber was hat der damit zu tun?«
»Na, dann frag ihn. Er kann dir bestätigen, dass ich monatelang darum gekämpft habe, dass du das Konzert mit Larrazábal dirigierst.«
»Und Larrazábal hat gesagt, sie zieht Agostini, diese Mumie, vor? Das glaube ich nicht!«
»Schau, damit du mir endlich glaubst: Ich habe hier die letzte E-Mail von Carmen Garralde, Anes
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