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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Agentin. Soll ich sie dir vorlesen?«
    »Schick sie mir.«
    »Kommt nicht in Frage, ich kenne dich doch, du würdest mich nur in Schwierigkeiten bringen.«
    »Was für Schwierigkeiten denn? Larrazábal ist doch tot.«
    »Hör einfach zu – das steht in der Mail: ›Verehrter Alfonso, dein Wunsch, dass das Paganini-Konzert vom Chefdirigenten des Spanischen Nationalorchesters dirigiert wird, ist verständlich, aber ich bedauere, dir mitteilen zu müssen, dass Ane Señor Lledó nicht für den geeigneten Dirigenten für ihren aktuellen Auftritt in Madrid hält. In den letzten Jahren hatten wir zwar keine Gelegenheit, ihn live zu erleben, aber die CD, die er vergangene Weihnachten für EMI aufgenommen hat, würde Walter Legge die Schamesröte ins Gesicht treiben: kindische Sopranistinnen, die widerlich süße Psalmen plärren, Fragmente von Filmmusiken, die für Diabetiker nicht geeignet sind, pseudoerotische Geigerinnen, die Bach-Bearbeitungen auf ihren Instrumenten kratzen, gegen die Luis Cobos gut aussieht, Plácido Domingo mit der denkbar schlechtesten Version von O sole mio, jede Menge vermeintlich religiöser Hymnen zur Sühne von ich weiß nicht welchen Sünden … Das alles ist so weit von dem künstlerischen Niveau entfernt, das Ane vorschwebt, dass es nicht nur außerordentlich unklug wäre, die beiden bei dem Paganini-Konzert zusammenzubringen, sondern sehr wahrscheinlich tödlich. Ganz zu schweigen von der eingefleischten Gewohnheit des Señor Lledó, die Orchestermusiker anzubrüllen, als wären sie ungezogene Halbwüchsige in einer Besserungsanstalt – eine Unsitte, die bereits mehrere europäische Sinfonieorchester am eigenen Leib erfahren mussten.‹«
    »Was für eine bezaubernde Person. Aber sieh, was für ein Ende es mit ihr genommen hat. Ich sage ja immer: Für jede Gans kommt einmal der Martinstag.«
    »Um Himmels willen, Joan! Über so was macht man keine Witze!«

    Villanueva hielt die Aufnahme an, und sowohl er als auch Comisario Galdón sahen Inspector Perdomo an, neugierig auf seine Reaktion. Der schüttelte nur ungläubig den Kopf.
    »Naaa?«, frohlockte Galdón schadenfroh.
    Perdomo machte keinen Hehl aus seiner Empörung.
    »Was für ein Heuchler! Vor nicht einmal zwei Stunden hat er wahre Lobeshymnen auf Larrazábal angestimmt. Wenn du willst, lasse ich ihn noch mal aussagen, aber diesmal hier in der UDEV.«
    »Nein«, bremste ihn Galdón. »Dann hätte er den Eindruck, wir sind hinter ihm her. Gönnen wir ihm ein bisschen Ruhe, mal sehen, ob er nervös wird, wenn er erfährt, dass wir die Sache mit seinem arabischen Teufel nicht geschluckt haben. Wir lassen sein Telefon abhören, wenn er sich dann verplappert, haben wir alles unter Kontrolle.«
    In diesem Augenblick erhellte ein Blitz das Büro des Comisario – aus dem böigen Wind war ein Unwetter geworden. Der Donner ließ nicht auf sich warten, und er war so laut, dass die drei Polizisten instinktiv ans Fenster gingen, um sich zu vergewissern, dass der Blitz nicht auf dem weitläufigen Innenhof des Polizeikomplexes eingeschlagen hatte.

31
    N icht einmal einen Kilometer vom Polizeikomplex entfernt hatten Arsène Lupot und Natalia de Francisco sich unter das Dach einer Bushaltestelle geflüchtet und warteten dort darauf, dass der heftige Regen und der orkanartige Wind nachließen. Die beiden hatten Zigaretten angezündet, um sich die Wartezeit zu vertreiben, und schienen mit der Unterredung, die sie mit Inspector Perdomo geführt hatten, ganz zufrieden zu sein.
    »Es ist alles sehr gut gelaufen«, frohlockte Lupot. »Wenn nur die Schmerzen im Auge nicht wären – die plagen mich, seit ich heute Morgen aufgestanden bin.«
    Natalia sah sich das Auge aus der Nähe an und sagte: »Ich kann da nichts finden, Arsène. Aber wer weiß? Es könnte sogar eine Nebenhöhlenentzündung sein. Wenn du wieder in Paris bist, solltest du zum Augenarzt gehen.«
    Beinahe hätte sie ihrem Freund vom Ergebnis des Experiments mit den zwei Öltropfen im Wasserglas erzählt, das sie als schlechtes Omen betrachtete. Doch als ihr wieder einfiel, dass er nur noch einen Tag in Madrid bleiben würde, überlegte sie es sich anders. Als gute Gastgeberin musste sie dafür sorgen, dass der Aufenthalt für ihren Gast so angenehm wie möglich war.
    »Schau, es hört schon wieder auf«, sagte Natalia und trat vor das Haltestellenhäuschen. Doch dann peitschte eine plötzliche Windböe ihr Regentropfen ins Gesicht, so dass sie nichts mehr sehen konnte, und sie

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