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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Geschäft und stellten erleichtert fest, dass es aufgehört hatte zu regnen. Zu seiner eigenen Überraschung fragte Gregorio den Italiener, möglicherweise noch berauscht von der faszinierenden Atmosphäre bei Scherzando: »Hättest du Lust, ein Duett mit mir zu spielen?«
    »Jetzt?«
    »Warum nicht?«
    »Hier auf der Straße?«
    »Oder bei mir zu Hause. Ich wohne ja gleich um die Ecke.«
    Rescaglio sah auf die Uhr, um sich wichtigzutun. Gregorio sollte denken, dass es bei seinem vollen Terminkalender an diesem frühen Abend schwierig sei, während er in Wirklichkeit bis zehn Uhr überhaupt nichts zu tun hatte. Trotzdem ließ er sich noch ein wenig bitten.
    »Ist es nicht schon ein bisschen spät dafür?«
    »Es ist noch nicht mal acht. Du wirst sehen, mein Vater sagt immer, Musik ist wie Tennis: Um Fortschritte zu machen, muss man mit Leuten spielen, die besser sind als man selbst. Aber ich spiele immer nur mit Nacho, den du gerade kennengelernt hast, und der ist um einiges schlechter als ich. Deshalb spiele ich immer die Melodie und er die Begleitung. Wobei – ich weiß nicht, wie er das hinkriegt, aber wenn es ums Geldverteilen geht, bekommt er immer genauso viel wie ich.«
    »Hat dein Vater denn nichts dagegen, wenn du ohne zu fragen Besuch nach Hause bringst?«, wandte Rescaglio ein. Aber auch er war der Meinung, dass Kammermusik von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung eines Musikers war.
    »Ich hab’s dir doch gesagt: Mein Vater ist nicht in Madrid, ich bin heute allein zu Hause, wie der kleine Junge in dem Film da. Aber wenn du Angst hast, ich wäre so schlecht, dass du dich langweilst …«
    »Abgemacht«, rief Rescaglio. »Und außerdem verspreche ich dir eine Überraschung.«

35
    O bwohl nahe dem Barrio de los Austrias – dem alten Zentrum Madrids – gelegen, war Perdomos Wohnung keine atemberaubende Dachgeschosswohnung wie die von Ane Larrazábal, die ebenfalls in dieser Gegend lag, sondern eine kleine, bescheidene und düstere Erdgeschosswohnung.
    Hätte Rescaglio nicht gewusst, dass Gregorios Vater Inspector bei der Polizei war, er wäre zu dem Schluss gekommen, dass dies die Wohnung des Pförtners sei.
    Im Inneren der Wohnung herrschte ein Heidendurcheinander, denn die Haushaltshilfe kam nur ein Mal die Woche, und die Fähigkeit der beiden Bewohner, Unordnung und Schmutz zu erzeugen, durfte man gut und gerne als olympiareif bezeichnen.
    Der Junge führte Rescaglio in sein Zimmer, wo an einer Wand, mit Reißzwecken befestigt, ein Poster von Ane Larrazábal hing, auf dem sie Geige spielte.
    Der Italiener erwähnte seine tote Verlobte mit keinem Wort, doch zur Enge des Raums konnte er sich eine Bemerkung nicht verkneifen.
    »Also, hier können wir nicht spielen. Hier weiß man ja nicht mal, wo man den Fuß hinsetzen soll! Was sind das für Papiere, die da überall auf dem Boden herumliegen?«
    »Die Schülerzeitung. Ich ordne die Hefte. Dieses Jahr bin ich für den besten Teil zuständig: Rätsel und Spiele.«
    Die beiden holten im Zimmer des Jungen ihre Instrumente aus den Koffern, beschlossen jedoch, ihr improvisiertes Duett im Wohnzimmer zu spielen.
    »Soll ich dir helfen, die neuen Saiten aufzuziehen?«, fragte Rescaglio.
    Der Junge verzog das Gesicht.
    »Diese Geige ist nur geliehen. Meine eigene ist neulich zu Bruch gegangen. Nächste Woche muss ich die hier meinem Lehrer zurückgeben, und ich will nicht, dass er dann auch die neuen Saiten bekommt.«
    »Umso besser«, tröstete ihn der Italiener. »Neue Saiten brauchen immer mindestens ein paar Tage, um sich an die Spannung zu gewöhnen. Wenn wir sie jetzt aufgezogen hätten, müssten wir immer wieder unterbrechen, um sie zu stimmen. Aber wir können die alten Saiten kürzen – das, was am Wirbelkasten überhängt. Was willst du mit den Fühlerchen, die da hin- und hertanzen? Na los, hol mir eine Zange.«
    »Habe ich nicht. Mein Vater muss sie irgendeinem Nachbarn geliehen haben.«
    »Dann muss ich wohl mein eigenes Werkzeug holen.«
    Rescaglio verschwand und kehrte gleich darauf mit einer riesigen Schere aus rostfreiem Stahl zurück.
    »Das ist eine japanische. Kann ich dir nur empfehlen. Ich habe sie immer im Instrumentenkasten für den Fall, dass ich sie brauche, sei es, um mir die Haare und das Bärtchen zu schneiden, sei es um die Cellosaiten zu kürzen.«
    Mit vier präzisen Schnitten kürzte Rescaglio die überhängenden Saiten von Gregorios Geige – nun wirkte sie wie ein frisch beschnittener Bonsai.
    »Das ist

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