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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Instrumente, mit denen sie interpretiert wird, müssen wir sie beurteilen. Wenn wir Bach mit einem Synthesizer spielen, ist es Pop, und wenn wir einen Song der Beatles für Streichquartett bearbeiten, ist es Klassik? Lassen wir doch diesen Unsinn, bitte!«
    Gregorio hörte ihm begeistert zu.
    »Nehmen wir zum Beispiel diese Passacaglia von Boccherini – weißt du, was das ist?«
    »Ein Ostinato.«
    »Richtig, ein Ostinato. Ich sehe schon, du vergeudest auf dem Konservatorium nicht deine Zeit. Dieses Boccherini-Stück ist tatsächlich ein Ostinato: eine Bassformel, die ständig wiederholt wird, in Zyklen von vier Takten, ich weiß nicht, wie viele Minuten lang. Und die Harmonien sind so schlicht wie im banalsten Popsong: Tonika, Subdominante, Dominante, Tonika. Einverstanden?«
    Gregorio nickte, wenn auch mit einer gewissen Zurückhaltung, denn er wusste nicht so recht, worauf der Cellist hinauswollte.
    »Es gibt Dutzende von Themen in der Pop- und Rockmusik, die auf die gleiche Art gebaut sind. Kennst du Smoke on the Water? «
    Rescaglio packte das Cello, als wäre es eine Gitarre, und spielte das unverwechselbare Bassthema von Deep Purple. Doch diesmal sah er am Gesichtsausdruck des Jungen, dass dieser den Song nicht kannte – Rescaglio fasste sich an den Kopf.
    »Du kennst Smoke on the Water nicht? Das womöglich berühmteste Hardrock-Thema aller Zeiten? Es ist genauso konstruiert wie Boccherinis Passacaglia: ein Ostinato – der Bass, den ich gerade gespielt habe – wechselt sich mit einer Melodie ab, die der Sänger singt. Nur ist es so, dass die Rockmusiker das Ostinato Riff nennen, aber es ist genau dasselbe. Ein Bass und eine Melodie, Gregorio, wozu braucht man vier oder fünf Musiker, um zwei Stimmen zu spielen? Der Kapitän und der Arzt genügen einander vollauf. Na los, probieren wir es aus. Du musst das hier spielen.«
    Gregorio benötigte nicht einmal dreißig Sekunden, um den Akkordzyklus zu lernen, mit dem er Rescaglio begleiten musste, und nachdem die beiden das Ostinato drei Mal gespielt hatten, trug der Italiener anmutig und kraftvoll die Melodie des Quintettino vor. Wieder beim Ostinato angelangt, sagte Rescaglio, ohne sein Spiel zu unterbrechen, ein wenig lauter: »Traust du dich, jetzt die Melodie zu übernehmen?«
    Zu seiner Überraschung überlegte der Junge nicht lange, sondern spielte die komplexe, mit Synkopen, Triolen und Vorschlägen gespickte Melodie Boccherinis zwar nicht Note für Note korrekt, doch zog er sich so gut aus der Affäre, als läse er die Partitur gerade zum ersten Mal vom Blatt und spielte nicht aus dem Gedächtnis. Rescaglio staunte über die rasche Auffassungsgabe des Jungen.
    »Was für ein gutes Gehör du hast, mascalzone! «
    Einige Minuten lang wechselten der Jugendliche und der Erwachsene sich mit der Melodie ab, und mit jedem Takt wurde der Grad an Übereinstimmung zwischen ihnen größer. Als sie sich dem Ende näherten, mahnte Rescaglio: »Achtung, ritardando!«
    Und mit der Präzision eines Skalpells endeten beide Musiker zugleich mit dem Tonika-Akkord.
    »Die Chemie zwischen uns stimmt«, räumte Rescaglio ein und begann, den Bogen abzuspannen. »Mal sehen, ob wir Gelegenheit haben, dieses Stück noch einmal zu spielen, aber dann mit Partitur.«
    »Musst du schon gehen?«
    »Ja, ich bin mit Freunden verabredet«, erwiderte Rescaglio, diesmal wahrheitsgemäß. »Vor ein paar Jahren habe ich in Tokio Bearbeitungen von Beatles-Songs für Streichinstrumente gekauft. Mal sehen, ob ich die wiederfinde, denn es ist besser, wenn du dir angewöhnst, die Stücke vom Notenblatt zu lernen.«
    »Weißt du, dass mein Vater die Beatles auch liebt?«
    »Dann ist dein Vater ein weiser Mann«, erklärte Rescaglio. »Die Beatles sind klassische Musiker. Klassische Musiker, die auf elektronischen Instrumenten spielen!«
    Rescaglio hob das Cello an und lockerte die Schraube, mit der der Stachel festgestellt war, um ihn im Inneren des Klangkörpers zu versenken. Dann zog er die Schraube wieder an, doch offenbar nicht fest genug, denn plötzlich schoss der Stachel wieder heraus wie die Klinge eines Schnappmessers und hätte Gregorio um ein Haar am rechten Auge getroffen. Hastig zog der Junge den Kopf zurück.
    »Das tut mir leid! Jetzt hätte ich dich fast zum Einäugigen gemacht!«, rief Rescaglio entschuldigend.
    Sichtlich verstört steckte er den Stachel wieder ins Cello und drehte die Schraube dann nachdrücklich fest, damit der Vorfall sich nicht wiederholen

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