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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Befragungen etwas notierte, so schnell, dass er hinterher seine eigene Schrift nicht mehr lesen konnte. Aber allein die Tatsache, dass er hin und wieder etwas hineinkritzelte, half ihm, sich besser auf das Gespräch zu konzentrieren.
    »Señor Rescaglio hat lange in Japan gelebt, richtig?«
    Don Íñigo nickte.
    »Und war das, bevor oder nachdem er Ihre Tochter kennenlernte?«
    »Vorher. Andrea kam mit drei Jahren nach Japan, weil sein Vater, der Manager bei Alitalia war, nach Osaka versetzt wurde. Die Eltern meldeten ihn am Konservatorium an, und innerhalb weniger Jahre machte er unglaubliche Fortschritte auf dem Cello. Wissen Sie, warum er zurück nach Europa musste? Das ist eine traurige Geschichte. Andrea machte mit einigen anderen Kindern Kammermusik, unter anderem mit Kitajima Masaharu, dem Sohn des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds des berühmten gleichnamigen Geländewagenherstellers. Der Junge spielte Violine und war Andreas bester Freund in Japan. Eines Abends, als Andrea bei Kitajima übernachtete, hörten die beiden Jungen in den frühen Morgenstunden Lärm im Stockwerk unter ihnen und erschraken. Sie weckten die Mutter und gingen nach unten, um nachzusehen. Als sie die dünne Shoji-Tür zurückschoben, fanden sie die geköpfte Leiche von Señor Masaharu. Er hatte Seppuku begangen.«
    »Was ist Seppuku?«
    »Hier kennen wir es als Harakiri, aber das ist für viele Japaner ein vulgärer Ausdruck, den sie lieber nicht verwenden. Die korrekte Bezeichnung lautet Seppuku.«
    »Eins verstehe ich nicht«, wandte Perdomo ein. »Wenn Señor Masaharu Seppuku beging, warum war er dann geköpft? Besteht der japanische Selbstmord denn nicht darin, dass man …« Perdomo beendete den Satz nicht, sondern tat so, als rammte er sich ein imaginäres Messer in den Bauch.
    »Der Seppuku ist ein sehr ausgefeiltes Ritual, Inspector. Um sich die entsetzlichen Schmerzen zu ersparen, bittet der Selbstmörder eine Person seines Vertrauens, ihm zu helfen und ihm mit einem Katana den Kopf abzuschlagen. In Masaharus Fall hat die Polizei von Osaka nie herausgefunden, wer derjenige war, aber aller Wahrscheinlichkeit nach war es ein enger Freund der Familie. Jedenfalls beschloss Andreas Vater nach diesem für beide Jungen traumatischen Erlebnis sehr vernünftig, Japan so schnell wie möglich zu verlassen. Und so kam Andrea nach Spanien.«
    Perdomo notierte sich Ereignisse und Namen in seinem Büchlein und wandte sich wieder dem Thema Rescaglio zu.
    »Hat Ihre Frau auch so eine gute Meinung von Rescaglio wie Sie?«
    Don Íñigo hatte den Kopf gesenkt und zog gerade eine Socke hoch, die hinabgerutscht war und eine bleiche Wade entblößt hatte, welche beinahe so haarlos war wie die einer Frau. Auf Perdomos Frage hin schien er zusammenzuschrecken und sah ihn misstrauisch an.
    »Was genau wissen Sie?«
    »Gar nichts, das versichere ich Ihnen.«
    »Es ist so, dass meine Frau Andrea am Anfang sehr misstraut hat. Sie tat alles Mögliche, um die Beziehung zwischen den beiden zu boykottieren – Dinge, die ich mir im Traum nicht hätte einfallen lassen: Sie hat seine Nachrichten auf dem Anrufbeantworter gelöscht und seine Briefe versteckt. Sie hat es den beiden sehr schwer gemacht, und mir natürlich auch, weil ich ja sehen konnte, dass die Konfrontation meiner Frau mit Andrea dazu führte, dass meine Tochter sich immer mehr von uns distanzierte.«
    »Welchen Grund hatte denn diese radikale Abneigung Ihrer Frau gegen den Verlobten Ihrer Tochter?«
    »Bevor meine Frau mich kennenlernte, hatte sie einen italienischen Verlobten. Er war Faschist, im wörtlichen Sinne, und war nach Mussolinis Fall nach Spanien geflüchtet. Meine Esther hatte er im Nu bezirzt, mit den bösen Künsten der Italiener – Sie wissen schon: Sie investieren in teure Kleidung und schöne Schuhe, und das ist bei den Mädchen ein unfehlbares Mittel. Mozart mochte die Italiener auch nicht, wussten Sie das? Er sagte, sie seien ein Haufen Scharlatane. Jedenfalls, dieser Kerl hatte sie schon drei Monate nach der Verlobung geschwängert. Als er erfuhr, dass sie schwanger war, verschwand er spurlos, und man hat nie wieder von ihm gehört. Seitdem hegt meine Frau eine tiefe Abneigung gegen alle Spaghettis, wie sie sie nennt. Sie sagt, sie seien allesamt so schön wie opportunistisch und manipulierend, aber in Andreas Fall hat sie sich offenkundig geirrt, denn ich habe noch niemanden gesehen, der eine Frau so zärtlich und liebevoll behandelt wie er unsere Ane.«
    »Hat Ihre

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