Die Violine des Teufels
geschah.
»Man könnte denken, wir wären in Osteuropa, vor dem Mauerfall«, bemerkte Milagros Ordóñez, und Perdomo musste lächeln.
Als sie noch knapp drei Meter von der Tür entfernt waren, stieß die Psychologin plötzlich einen kurzen, aber sehr hohen Schrei aus, der Perdomo zusammenzucken ließ. Ein offenbar herrenloser Hund hatte sich ihnen im Schutz der Dunkelheit von hinten genähert, und in seinem Eifer, die beiden Eindringlinge zu beschnüffeln, die da unerlaubt in sein Territorium vorgedrungen waren, hatte er Ordóñez mit der Spitze seiner Schnauze am Bein gestreift. Nun sah er sie hechelnd und mit irgendwie erschöpfter Miene an, als wäre er ihnen schon eine gute Strecke gefolgt, und die Anstrengung hätte ihm den Schwung genommen.
Doch dieser Eindruck trog offenbar völlig, denn als Ordóñez einige Male in die Hände klatschte, um ihn zu vertreiben, wurde der Gesichtsausdruck des Hundes plötzlich extrem grimmig, und das Tier, das ziemlich groß war, begann, dumpf und bedrohlich zu knurren. Ordóñez glaubte, sie habe den Hund mit ihrem Klatschen nur erschreckt, und sagte: »Einfach nicht beachten!« Dann hakte sie sich unbekümmert bei Perdomo unter, drehte sich um und zog ihren Begleiter weiter.
Da tat der Hund etwas völlig Unerwartetes: Er rannte ein Stück vor und stellte sich dann zwischen die beiden und die Tür, wobei er weiterhin dieses dumpfe Knurren ausstieß, das einen bevorstehenden Angriff ankündigte. Ordóñez blieb wie angewurzelt stehen. Sie konnte den Blick nicht von dem Hund losreißen, doch aus dem Augenwinkel sah sie, dass die Hand des Polizisten sich langsam zum Pistolenhalfter bewegte, in dem er seine Waffe trug.
»Was haben Sie vor?«, wollte sie fragen. Doch die Angst schnürte ihr die Kehle zu, und die Frage kam als kaum verständliches Murmeln heraus.
Perdomo antwortete ebenso leise, als befürchtete er, das Tier könne sie verstehen.
»Der Hund will uns nicht ins Auditorio lassen. Fragen Sie mich nicht, warum, aber so ist es. Wenn wir weiter auf die Tür zugehen, wird er uns angreifen, da bin ich sicher. Rühren Sie sich nicht von der Stelle.«
Als Perdomo seine Feuerwaffe aus dem Futteral zog, sprang der Hund ihn an und setzte dabei die Hinterpfoten wie ein Katapult ein. Der Schwung verfünffachte sein Körpergewicht, und er warf den Polizisten auf den Rücken. Dem fiel dabei der Revolver aus der Hand. Er verspürte einen heftigen Schmerz in der rechten Hüfte, die den Großteil des Aufpralls abbekommen hatte. Doch zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass sein Angreifer seine Kraft falsch eingeschätzt hatte, so dass er beim Aufkommen auf den Boden das Gleichgewicht nicht halten konnte, sondern sich überschlug und erst mehrere Meter weiter vor Wut knurrend zum Stehen kam. Hinter sich hörte Perdomo die Krallen des Tiers wütend über den Boden scharren, als es versuchte, wieder aufzustehen und sich so schnell wie möglich erneut auf sein Opfer zu stürzen. Doch beinahe im selben Augenblick glitt etwas Metallenes über das Pflaster auf ihn zu und blieb wenige Zentimeter von ihm entfernt liegen – Ordóñez hatte seinen Revolver mit einem Fußtritt zu ihm befördert. Perdomo spannte die Waffe. Der Hund rannte bereits wieder auf ihn zu, doch das leise metallische Klicken hatte eine unerwartete Wirkung auf ihn: Anstatt sich noch einmal auf Perdomo zu stürzen, ergriff er die Flucht, als wäre der Teufel ihm auf den Fersen, und verlor sich in der Nacht. Perdomo setzte sich auf, wobei er vor Schmerzen das Gesicht verzog, und richtete die Waffe auf das Tier, das nur noch ein dunkler Fleck in der Dunkelheit war. In dieser Haltung verharrte er, bis die Bestie außer Sicht war.
»Was für ein Alptraum!«, rief Ordóñez, als sie die Sprache wiederfand. Sie war so verstört, dass ihr sichtlich die Hände zitterten.
»Was für eine Bestie«, stimmte Perdomo zu. »Aber am beunruhigendsten finde ich, dass der Hund das Geräusch des Schlagbolzens erkannt hat, als ich die Waffe gespannt habe. Weiß der Himmel, wo dieses hinterhältige Tier herkam! Wir müssen auf jeden Fall dem Sicherheitsdienst des Auditorio Bescheid geben. Übrigens: danke, Milagros. Wenn Sie mir nicht vorsorglich den Revolver zugeschoben hätten, dann läge ich jetzt womöglich mit durchgebissener Kehle hier auf dem Boden und würde verbluten.«
»Ich habe noch nie im Leben eine Waffe in der Hand gehabt, deshalb mussten Sie das Tier verjagen«, erwiderte sie und versuchte zu lächeln, doch es kam
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