Die Violine des Teufels
Lachen ausgebrochen. Möglicherweise hätte er sich zwei gestandene Männer vorgestellt, in Uniform und bis an die Zähne bewaffnet, die von einem Blumentopf verfolgt wurden, der über den Boden schwebte. Doch nun hatte er selbst vor nicht einmal zwei Tagen eine gespenstische Vision seiner selbst gehabt, daher lief ihm bei den Worten des Wachmanns ein eiskalter Schauder über den Rücken.
»Und Sie selbst haben bis jetzt nichts bemerkt?«
»Überhaupt nichts. Aber die Kollegen, die hier vorher gearbeitet haben, haben das irgendwie mit der Stelle in Verbindung gebracht, an der das Auditorio gebaut wurde. Das Viertel hier heißt Cruz del Rayo, weil hier offenbar vor langer Zeit einmal ein Blitz in ein großes Kreuz eingeschlagen hat.«
»Und was hat das mit dem Gespenst zu tun?«
»Kapieren Sie denn nicht? Wenn es hier früher ein großes Kreuz gab, dann weil das mal ein Friedhof war. Wir stehen gerade auf einem alten Friedhof.«
Perdomo fuhr zusammen, doch nicht nur der Erzählung des Wachmanns wegen, sondern weil Ordóñez sich verstohlen von hinten genähert hatte. Offensichtlich hatte sie zumindest die letzten Äußerungen des Wachmanns mit angehört.
»Gibt es ein Problem?«, fragte die Psychologin in einem Tonfall, der eine beruhigende Wirkung auf Perdomo hatte. Er war froh, dass sie die Geschichte mit angehört hatte, denn nun musste er sie ihr nicht erst erzählen, und zudem konnte sie vielleicht besser einschätzen, was davon zu halten war. Der Wachmann sah auf die Uhr und verabschiedete sich.
»Ich will sehen, ob mein Kollege die Sache mit dem Hund geregelt hat. Wenn Sie noch was brauchen, wissen Sie ja, wo Sie uns finden. Ich lasse das Licht in den Korridoren an, damit Sie nachher zum Ausgang zurückfinden.«
Als er sicher war, dass der Mann sie nicht mehr hören konnte, wandte Perdomo sich an Ordóñez.
»Was halten Sie von der Geschichte mit dem Gespenst und dem Friedhof?«
»Ich habe da meine Vorbehalte. Das war die Aussage von jemandem, dem Gott weiß wer etwas erzählt hat, was XY zugestoßen ist. Und außerdem wissen Sie doch, wie gerne wir in diesem Land unsere Geschichten ausschmücken. Womöglich stimmt daran nur, dass ein Wachmann einmal einen Blumentopf gesehen hat, der nicht mehr an seinem Platz stand, vielleicht weil eine Putzfrau ihn umgestellt hatte. Andererseits weiß ich nicht, ob hier drunter wirklich ein alter Friedhof liegt, aber es könnte sehr wohl sein, denn Madrid hat eine lange Geschichte. Allein heute gibt es über zwanzig Friedhöfe in der Stadt, auch wenn in den Nachrichten meistens nur von dem der Almudena berichtet wird.«
»Für ein Medium sind Sie ziemlich skeptisch, finden Sie nicht? Das erscheint mir nicht richtig: Sie selbst behaupten doch, die Fähigkeit zu außersinnlicher Wahrnehmung zu haben, und dann bezweifeln Sie, dass anderen auch so etwas passieren kann.«
Ordóñez merkte, dass sie Perdomo verärgert hatte. Beschwichtigend legte sie ihm die Hand auf den Unterarm und erklärte: »Falls ich heute Abend etwas im Zusammenhang mit dem Mord an Ane Larrazábal wahrnehme, dann werden Sie merken, dass außersinnliche Wahrnehmung nicht so funktioniert, wie Sie sich das vorstellen, denn das ist im Grunde nur ein vom Kino hervorgebrachtes Klischee.«
Nun betraten sie den Chorsaal, und Ordóñez bat Perdomo, die Tür zu schließen.
»Falls der Wachmann zurückkommt. Der kam mir vor wie einer, der seine Nase überall reinstecken muss«, sagte sie und imitierte dabei die gedehnte Sprechweise des Wachmanns.
Eine Weile lief Ordóñez ziellos durch den gar nicht so kleinen Saal, der eher ein echter kleiner Konzertsaal als ein Probenraum war und Platz für zweihundert Personen bot. Die Zuschauerränge wiesen ein deutliches Gefälle auf, und Perdomo, der sich auf einen Platz in der Mitte setzen wollte, um Ordóñez von dort aus zuzusehen, wäre beinahe die Treppe hinabgestürzt, weil er eine Stufe verfehlte.
Ihm fiel auf, dass Ordóñez sich nicht systematisch durch den Raum bewegte und Zone für Zone vorging wie jemand, der etwas Konkretes suchte, sondern unstet von einer Seite zur anderen schlenderte und von Zeit zu Zeit irgendwo stehen blieb. Manchmal schloss sie die Augen und verharrte so eine Weile, doch sie bückte sich nicht ein einziges Mal, zum Beispiel um den Flügel zu untersuchen, dabei hatte Perdomo ihr erzählt, dass man die Leiche dort gefunden hatte.
Er war unruhig. Zum einen schreckte ihn die Vorstellung, dass Ordóñez’ außersinnliche
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