Die Virus-Waffe
Es war vielmehr eine mehrere Jahre alte Haut-
verletzung, die nur schlecht verheilt war und eine raue
Narbe hinterlassen hatte.
Gravas setzte die Untersuchung fort, fand jedoch keine
weiteren Verwundungen. Dann packte er die Leiche an der
Seite und drehte sie behutsam herum, damit er sich den
Rücken ansehen konnte. Hier ging er genauso vor und
kam auch exakt zu demselben Ergebnis. Keine Wunden,
keine Narben, kein Anzeichen einer äußeren Verletzung.
Er drehte den Leichnam wieder in seine ursprüngliche
Lage und schaute darauf hinunter. So weit er es beurteilen
konnte, stammte das Blut auf der Brust aus dem Mund des
Griechen. Er musste es förmlich erbrochen haben. Das
Blut auf dem Laken unter der Leiche schien aus Aristides’
Anus ausgetreten zu sein. Trotzdem wusste Gravas immer
noch nicht, woran der Mann gestorben war.
Sein Team durchkämmte in der Zwischenzeit metho-
disch das Haus, aber bis jetzt hatte Gravas niemanden in
das Schlafzimmer gelassen. Irgendetwas meldete sich in
seinem Hinterkopf. Etwas, das er irgendwo gelesen oder
aufgeschnappt hatte, etwas Wichtiges, das vielleicht den
Tod dieses alten Mannes erklären konnte.
Er schüttelte langsam den Kopf. Es würde ihm schon
noch einfallen. Zudem hoffte er, dass die Autopsie Klarheit
schaffen würde. Bis dahin würde ihm die Leiche nichts
mehr verraten. Zeit, sie wegzuschaffen, damit sein Team
sich an die Untersuchung des Schlafzimmers begeben
konnte.
Er ging um das Bett herum und wollte gerade das Fens-
ter öffnen, um Inspektor Lavat zu rufen, als er wie erstarrt 107
stehen blieb. Plötzlich wusste er, oder glaubte wenigstens
zu wissen, wie Aristides gestorben war.
Gravas trat vom Fenster weg, machte einen großen Bo-
gen um die Leiche auf dem Bett und trat auf den Treppen-
absatz hinaus. Er drehte sich um, zog die Tür hinter sich
zu und rief sein Team zusammen.
»Hört genau zu. Ihr lasst augenblicklich alles stehen und
liegen. Lasst Eure Ausrüstung liegen, wo sie ist. Überprüft
den korrekten Sitz Eurer Masken und Handschuhe, steht
auf und geht hinaus, ohne irgendwas zu berühren. Berührt
Euch auch nicht gegenseitig, und wartet auf der Straße auf
mich.«
Seine beiden sehr verwirrten Mitarbeiter eilten aus dem
Gästezimmer und gingen hintereinander die schmale
Treppe hinunter. Gravas überzeugte sich, dass alle Fenster
und Türen im Obergeschoss geschlossen waren, und folgte
ihnen dann nach unten. Im Erdgeschoss überprüfte er
ebenfalls die Fenster, verließ das Haus und zog die Tür fest hinter sich zu.
»Dr. Gravas?« Lavat beobachtete, wie die kleine Prozes-
sion das Haus verließ.
»Inspektor …« Gravas’ Stimme wurde von seiner Maske
gedämpft. »Kommen Sie weder mir noch meinem Team
zu nahe. Sorgen Sie dafür, dass sich niemand diesem Haus
nähert. Dann riegeln Sie das ganze Dorf ab. Niemand darf
es betreten oder verlassen, bis wir die Lage unter Kontrolle haben.«
»Lage? Welche Lage? Das hier ist ein Mordfall. Zugege-
ben ein sehr brutaler Mord, aber soll ich deshalb das ganze
Dorf absperren? Ist das wirklich notwendig?«
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Gravas hätte fast gelächelt. »Ich wünschte, es wäre so
einfach«, antwortete er. »Aber ich fürchte, dass unser Kil-
ler durch jede Absperrung schlüpft, die Sie errichten kön-
nen.«
Lavat sah ihn erstaunt an. »Wollen Sie damit sagen, Sie
wissen, wer Aristides ermordet hat?«
Gravas nickte. »Es ist kein wer, Inspektor, sondern ein
was. Wenn ich Recht habe, hat den Griechen etwas getötet,
das wir das Ebola-Virus nennen.«
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5
Dienstag
Special Pathogens Branch, Center for Disease Control
and Prevention, Atlanta, Georgia
Tyler Q Hardin hatte bereits einen Fuß unter der Dusche,
als sein Pager piepte. Das Q in seinem Namen war keine
Abkürzung. Sein zweiter Vorname war tatsächlich Q.
Hardin vermutete, dass sein Vater das für einen beson-
ders gelungenen Scherz gehalten hatte. Verärgert drosch
er auf den Hebel der Duscharmatur. Er hatte fünf Minu-
ten gebraucht, um das Wasser genau auf die richtige
Temperatur einzustellen. Er nahm den Pager und warf
einen Blick auf das Display. Er zeigte ein einziges Akro-
nym. »L4HA.«
»Oh, Scheiße!«, knurrte er. Die Dusche war vergessen,
und er stieg hastig in die Kleidung, die er gerade abgelegt
hatte. Er rannte aus dem Haus, ließ die Tür hinter sich
ins Schloss fallen, sprang in seinen zwei Jahre alten Grand
Cherokee, startete die Acht-Zylinder-Maschine, schob
den
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