Die Virus-Waffe
Fernsehsendungen und Filmen sind schlichte Er-
findungen oder Missverständnisse von Schreibern, die ihre
Hausaufgaben nicht gemacht haben. Es stimmt, dass Ebola
sich erschreckend schnell vermehrt, und unkontrollierbare
Blutungen aus allen Körperöffnungen treten häufig in der
Endphase der Krankheit auf.
Aber Ebola greift nur den Blutkreislauf an, und davon
nur zwei Komponenten. Es zielt auf die Blutplättchen,
die für die Blutgerinnung zuständig sind, und die endo-
thelialen Membranen, welche die Innenseiten der Venen
und Arterien säumen. Letztlich startet es einen doppel-
ten Angriff. Das Blut sickert aus den Adern, wenn die
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endothelialen Häutchen versagen, und es gerinnt nicht
mehr.
Diese Effekte treten gewöhnlich zuerst in den Organen
auf, in denen diese Membranen am dünnsten und ver-
letzlichsten sind. Meist in den Lungen, den Augen, dem
Mund und der Nase. Das Körpergewebe und die Organe
schwellen an, wenn sie sich voll Blut saugen, die Lungen
funktionieren nicht mehr richtig, Blut tritt in das Ver-
dauungssystem ein, der Hals wird blutig und entzündet
sich, was das Schlucken unmöglich macht. Aus Augen
und anderen Körperöffnungen sickert Blut, und im End-
stadium werden die Gehirnfunktionen beeinträchtigt; sie
erliegen fast gänzlich, wenn sich der Schädel mit Blut
füllt.
Im Gegensatz zum allgemein verbreiteten Glauben ist
eine bemerkenswerte Besonderheit des Ebola-Virus und
anderer von Viren ausgelöster, hämorrhagischer Fieber-
erkrankungen, dass eben die Organe selbst nicht zerstört
werden. Trotz der gewaltigen Blutmengen, die sich in ih-
nen sammeln, bleibt das Organgewebe vollkommen in-
takt. Sie stellen nur deshalb ihre Funktionen ein, weil sie
sozusagen in Blut ertrinken. Falls ein Patient einen An-
griff des Ebola überlebt, bleiben normalerweise keine
langwierigen Folgeschäden zurück. Sobald das Virus aus
dem Körper eliminiert wurde, nehmen die Organe ihre
normalen Funktionen wieder auf.
Kurz gesagt, ein Angriff des Ebola-Virus ist im Wesent-
lichen funktional, nicht biochemisch. Das Virus greift den
ganzen Körper durch den Blutkreislauf an, zerstört aber
keine Zellen oder Organe. Der Angriff erfolgt meistens
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ebenso rasch, wie die Genesung vonstatten geht. Falls der
Patient das Glück hat zu überleben.
Aber leider gibt es eine populäre »Tatsache«, die stimmt.
Im letzten Stadium der Infektion kann ein Tropfen Blut
eines Infizierten, ein einziger Milliliter, hundert Millionen Virenpartikel enthalten.
Das Ebola-Virus ist ein ebenso einfacher wie geheimnis-
voller Organismus. Wie die anderen Fadenviren ist dieser
mikroskopisch kleine Faden nur bei einer Vergrößerung
um das Hunderttausendfache zu sehen. An einem Ende ist
er charakteristisch verdreht und gewunden. Wegen dieser
Eigenschaft nennen Virologen ihn »Krückstock«.
Strukturell gesehen besteht Ebola aus einem einzigen
Strang Ribonucleinsäure, die den genetischen Kode des
Virus enthält. Er befindet sich in einer Hülle aus sieben
verschiedenen Proteinen. Drei dieser Proteine sind mitt-
lerweile teilweise entschlüsselt, aber über die vier anderen weiß man so gut wie nichts. Struktur und Funktion dieser
vier Proteine bleiben ein Rätsel, aber ihre Kombination ist
tödlich. Das Virus scheint speziell für den Angriff auf den
Blutkreislauf konzipiert zu sein. Gleichzeitig ist das
menschliche Immunsystem anscheinend vollkommen un-
fähig, es wirksam zu bekämpfen.
Außerdem ist Ebola, um es in der spannenden Termi-
nologie der Virologen zu formulieren, ein schlecht ange-
passter Parasit. Ein gut angepasster Parasit lebt gewisser-
maßen in Harmonie mit seinem Wirt. Die Beziehung zwi-
schen den beiden entwickelt sich fast zu einer Symbiose.
Beide, Wirt und Parasit, überleben. Ebola dagegen kann
Menschen innerhalb eines Tages töten, wobei es selbst
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ebenfalls zugrunde geht, wenn es ihm nicht gelingt, auf ei-
nen anderen Menschen überzugehen.
Diese Tatsache lässt darauf schließen, dass Ebola einen
anderen Wirt hat, ein Säugetier oder einen Vogel, die im
tropischen Regenwald von Zaire leben. Dieser Wirt trägt
zwar das Virus in sich, bleibt aber weitgehend davon unbe-
rührt. Doch bisher hat niemand eine Ahnung, um welchen
Wirt es sich handeln könnte. Weiterhin impliziert das,
dass Ebola entweder durch natürliche Mutation entstan-
den ist, oder aber geschaffen wurde, um das menschliche
Immunsystem angreifen zu können.
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