Die Virus-Waffe
Signor Perini hat mir gesagt, dass
Sie ein Sea-Harrier-Pilot sind.«
»Das stimmt«, erwiderte Richter. »Aber dieser Hub-
schrauber ist neu für mich.« Er lehnte sich in seinem Sitz
zurück, während Vento mit seinem rechten Zeigefinger
dem Techniker ein kreisendes Zeichen gab, das Signal für
den Start des Motors. Richter schaute sich interessiert in
dem Cockpit um, während der Italiener nacheinander die
beiden Pratt-&-Whitney-206c-Triebwerke startete.
Die Agusta unterschied sich deutlich von allen Hub-
schraubern, in denen Richter bisher geflogen war. Abgese-
hen von der langen »Motorhaube«, die sich elegant unter
der Cockpitscheibe nach vorn wölbte, verfügte die A109
über ein vollkommen digitalisiertes Cockpit. Das bedeutet,
dass die Anzeigen, die man in einem konventionellen
Hubschrauber findet, durch zwei Computerbildschirme
ersetzt wurden. Was die Arbeitsbelastung im Cockpit be-
trächtlich reduzierte, weil die Bildschirme nur das zeigen,
was das Flugprogramm des Computers für wichtig erach-
tet.
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Als diese computerisierten Cockpits eingeführt wurden,
begegneten die Piloten ihnen zunächst ebenso ablehnend
wie argwöhnisch. Kurz nach ihrer Indienststellung war ei-
ner der häufigsten Stoßseufzer der Piloten im Cockpit der
Boeing 757, eines der ersten Flugzeuge, die ein halb com-
puterisiertes Cockpit besaßen, die Frage: »Was hat er denn
jetzt schon wieder?«
Aber die Technologie hat sich weiterentwickelt, und
heutzutage findet man in den meisten Flugzeugcockpits
der kommerziellen Linien und einem großen Teil der Mili-
tärmaschinen kaum noch die gewohnten Navigations- und
Triebwerksanzeigen. Vor allem die neue Generation der
amerikanischen Luftwaffe ist aerodynamisch instabil und
nicht mehr zu fliegen, wenn die Computer ausfallen.
»Der hier ist mit dem FADEC-System ausgestattet«, er-
klärte Vento, als das Donnern der Triebwerke zu einem
gedämpften pfeifenden Dröhnen abgesunken war. Das
Full Authority Digital Engine Control System kontrolliert
digital die beiden Triebwerke, reduziert den Kraftstoff-
verbrauch des Hubschraubers und steigert so Reichweite
und Nutzlast der Maschine.
»Dies«, Vento löste die Rotorbremse und sah zu, wie
sich der Hauptrotor langsam zu drehen begann, »und die
bessere Aerodynamik ermöglichen uns eine Reichweite
von über neunhundert Kilometern, eine Höchstgeschwin-
digkeit von einhundertfünfzig Knoten und eine Flughöhe
von sechstausend Metern. Es macht wirklich Spaß, diese
Maschine zu fliegen.«
Danach rief Vento den Brindisi Tower und bekam Roll-
und Starterlaubnis. Der Bodentechniker sah zu, wie der
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Hubschrauber abhob und nach Westen abdrehte. Die Ma-
schine wurde schneller, als sie über die Hauptstartbahn
flog. Der Pilot fuhr das Fahrgestell ein, als sie den Flughafen verließen, und stieg für den Flug nach Matera auf zwei-
tausend Fuß Höhe.
Es war später Nachmittag, aber die Sonne stand noch
hoch am Himmel, als die Agusta über das ziemlich flache
Gelände nördlich von Taranto flog. Vento zeigte Richter
die Dörfer, Städte und Straßen, an denen sie vorüberflo-
gen. San Michele Salentino, Villa Castelli, Montemesola.
Das ausgedehnte Stadtgebiet von Taranto erstreckte sich
weiter im Süden. Crispiano lag an der Autostrada , die von Bari nach Massafra an Taranto vorbeiführte. Dann folgten
Palagiano und Laterza.
Einige Minuten nachdem sie Laterza passiert hatten,
ließ Vento die Agusta auf tausend Fuß sinken. »Das da ist
Matera«, erklärte er. »Rechts, auf ein Uhr, in fünf Kilome-
ter Entfernung.« Richter spähte wie Simpson und Perini
nach vorn. »Wir landen ein paar Meilen außerhalb der
Stadt. Neben der Straße liegt ein geeignetes Feld. Dort war-
ten unsere Wagen.«
Vento fuhr das Fahrgestell aus, während er noch weiter
hinunterging, und als er mit der Agusta zur Landung an-
setzte, sah Richter vier dunkle Fahrzeuge, die in einer
Parkbucht unmittelbar neben einem kleinen Feld parkten.
Drei Minuten später waren sie am Boden.
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Kandíra, Südwestkreta
Gravas und seine Assistenten hatten ihre weißen Overalls
und Überschuhe ausgezogen und sie an einer Mauer ne-
ben Aristides’ Haus auf einen Haufen gelegt. Gravas ord-
nete an, dass sich niemand der Kleidung nähern durfte.
Ihre gesamte Garderobe war vermutlich kontaminiert,
also hätten sie die Sachen eigentlich in einen luftdicht
verschlossenen Beutel packen sollen, damit sie verbrannt
werden
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