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Die Vision

Die Vision

Titel: Die Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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erzürnen.«
    »Erzürnen? Wieso erzürne ich ihn? Ihr braucht ihm doch nur zu sagen, daß wir alles versucht haben, daß der Dämon jedoch langsam und übellaunig ist. Alsdann schickt Ihr einen schnellen Boten mit einer Lösegeldforderung an die Familie in England des Inhalts, daß der Graf das Lösegeld nur aus der Hand seiner Frau Margaret entgegennimmt. So kommen wir zu dem gleichen Ergebnis, laufen aber keinerlei Gefahr. Der Mann ist doch einfältig. Wie oft habe ich ihm schon gesagt, daß der Äther hier zu dünn ist, weil dauernd experimentiert werden muß – daß es gefährlich ist, sich mit den mächtigsten Geistern der Hölle anzulegen. Beim nächsten Mal geht es nicht mehr mit ein paar blauen Flecken ab. Asmodeus könnte sich wirklich losreißen. Sagt, wißt Ihr noch, woher der Brief kam?«
    »Natürlich. Ich habe es aufgeschrieben, nur damit uns kein Fehler unterläuft.« Fray Joaquin zog ein Wachstäfelchen aus dem Ärmel.
    »Dann seid Ihr auf den gleichen Gedanken gekommen?«
    »Natürlich. Ich bin doch nicht dumm. Glaubt Ihr, daß man mit Teufelsbeschwörungen Erfolge erzielen kann? Wenn, dann hätten wir doch schon Gold. Teufel wollen nur betrügen. Wie kommt er bloß auf die Idee, daß Asmodeus uns nicht auch betrügt? Was haben wir denn vorzuweisen? Nichts als Gestank, Schweinerei und blaue Flecke. Ein Bote dürfte weitaus mehr Erfolg haben.«
    »Es ist weit dorthin, praktisch am Ende der Welt«, sagte Messer Guglielmo, während er das Täfelchen betrachtete. »Ein zivilisierter Ort dürfte sich kaum ›Bruksfurd Manr‹ nennen.«
    »Ich habe daran gedacht, Fray Raphael zu schicken. Der hat schließlich das Gelübde der Armut abgelegt, und es wird langsam Zeit, daß er sie am eigenen Leibe zu spüren bekommt.«
    »Aber der Sieur d'Aigremont braucht ihn in der Geheimkammer – er hat keine Ausrede, warum er reisen muß – und dabei wäre ich ihn gern ein Weilchen los. Was für ein Quengler. Dauernd kommt er an und beklagt sich, in der Regel, wenn ich mitten in einem schwierigen Experiment stecke und nicht gestört werden darf. Da unten ist die Luft so schlecht, jault er. Habt Ihr ein Glück. Ich und Glück! Den ganzen Tag und die ganze Nacht in dieser Hitze schuften! Keine frische Luft! Gräßlicher Gestank! Unbeholfene Bauerntölpel als Helfer! Kein anständiges Essen, außer einem Bissen im Stehen! Ich falle um vor Müdigkeit! Seht mich doch an!« Er betrachtete das Anstoß erregende Gewand und bemerkte ein graues Haar in seinem langen, wilden, schwarzen Bart. Das riß er empört aus. »Grau! Ich altere im Dienst eines undankbaren Gönners!«
    »Wenn Ihr wüßtet, was in den Geheimkammern vorgeht, Ihr würdet Euch nicht beklagen.«
    »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Hauptsache, ich bekomme das richtige Fixativ; was er sonst noch macht, geht mich nichts an. Es sei denn, er mißachtet meinen Rat und schafft es, ein so großes Loch zu machen, daß Asmodeus hindurchschlüpfen kann. Abgesehen davon kümmere ich mich ausschließlich um meine Wissenschaft. Wer sagt, daß Wissen nicht seinen Preis hat? Und ich zahle ihn – mit Leiden, Leiden.«
    »Ihr tätet gut daran, ein wenig stiller zu leiden, Messer Petrini. Falls er glaubt, daß Ihr etwas mitbekommen habt, so läßt er Euch nicht ziehen, wenn das Gold gemacht ist.« .
    »Sie kommen, doch sie gehen nicht wieder. Was geht es mich an? Sind doch nur Bauernbälger. Gibt ohnedies zuviel davon. Hecken wie die Kaninchen, die gewöhnlichen Leute.«
    »Na gut, vermutlich bleibt die Reise an mir hängen. Das hatte ich schon befürchtet.« Fray Joaquin seufzte. »Ich erzähle ihm, ich hätte gehört, daß es im Norden hübsche, blonde Kinder gibt, nach denen ich mich umsehen möchte. Er will ja keine anderen, und hier in der Gegend werden sie allmählich knapp.«
    An jenem Abend brach Fray Joaquin, begleitet von einem großen Hirschhund, auf dem schnellsten Pferd im Stall nach England auf.

    »Mama, das ist aber ein häßlicher Umhang. Warum hast du keinen hübschen gekauft?« Alison wühlte in meinen Einkäufen herum, die ich auf dem Bett im Obergeschoß des Wengraveschen Hauses ausgebreitet hatte. Sie war kaum zu verstehen, da sie sich den Hut aufgesetzt hatte. Wenn sie die Arme ausstreckte, berührte sie kaum seinen Rand, zudem reichte er ihr noch bis übers Kinn. Die Bänder hingen ihr bis zur Mitte.
    »Das ist ein Pilgermantel, Dummchen.« Cecily untersuchte den Geldgürtel und die schweren Schuhe. »Damit sieht man auf der Reise heilig aus.

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