Die Vision
willst ihn wiederhaben. Doch wenn du zu ängstlich für das Wagnis bist,, dann sag es jetzt, und ich versuche es dir und meiner Freundschaft zu Gilbert zuliebe allein. Und dabei habe ich in derlei Dingen nicht einmal eine so glückliche Hand wie du. Sag an – willst du hierbleiben?«
Mir schwirrte der Kopf, er hämmerte. Es hämmerte wie der Huf schlag von Soldaten auf Verfolgungsjagd. Ich zögerte. »Ich – ich glaube – sie sind bei Master Wengrave ohne – ohne mich – sogar noch besser aufgehoben. Man könnte mich umbringen. Oder entführen und zur Ehe zwingen. Dann würde er dort sterben. Ich – nur ich – habe seinen Schrei gehört, niemand sonst. Nein – er braucht mich. Ich muß gehen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, so wahr mir Gott helfe.«
Tief unten in der Burg auf den zerklüfteten Felsen, in einem Geheimlaboratorium gleich über den Folterkammern, bebte Messer Guglielmo Petrini, Adept der Schwarzen Magie, Philosoph, Alchimist und zuweilen Dämonen- und Geisterbeschwörer, am ganzen Leib, so gereizt war er. »Asmodeus noch einmal anrufen?« übertönte seine aufgebrachte, schrille Stimme das stetige Knirschen und Keuchen eines riesigen Blasebalgs, den ein hünenhafter Stummer mittels eines Seil- und Flaschenzugsystems bediente. »Wofür hält er mich, für einen Schwachkopf? Ich habe ihm gesagt, es war absolut das letzte Mal – der Dämon wird zu stark.« Alles an dem kleinen Mann zitterte, das dunkle, kleingelockte Haar, die buschigen Brauen und der steife Bart, und selbst noch das Augenlid zuckte mitsamt dem linken Winkel seines höhnisch verzogenen Mundes. »Ich sage Euch, ich verdiene Respekt. Wenn er nichts als simple Zaubersprüche haben will, dann soll er sich an die Dorfhexe wenden, aber nicht an den berühmtesten Alchimisten auf der ganzen Welt. Wenn er rasch Gold haben will, so soll er seinen Beutel ein wenig auftun und mir anständige Gerätschaften und richtige Helfer beschaffen. Sechs maskierte Stumme! Nicht auszudenken!«
Damit tat er die Apparate, die überall im Geheimlaboratorium herumstanden, verächtlich ab. Die Aludel, in der es siedete, stand auf dem Alembik und ließ ihr Destillat in ein Kupfergefäß tropfen. Auf der offenen Feuerstelle standen zwei Kessel mit einem Gebräu, das unbeschreiblich stank. An Wand und Decke und über einer Sammlung von Glas- und Tonbehältnissen waren, so als wollte man ihre Essenz auffangen, widerliche, doch bekannte Dinge aufgehängt – Fledermausflügel, große Käfer und Platten aus gehämmertem Kupfer, die von den aufsteigenden Säuredämpfen grün angelaufen waren. Auf dem Arbeitstisch lehnte ein aufgeschlagenes Buch mit Fettflecken von Fingerabdrücken und Kerzentropfen, in welchem Fray Joaquin eine komplizierte Zeichnung aus Fünfecken und sich überschneidenden Kreisen erblickte. Der Raum war ungewöhnlich breit und verbarg sich hinter einer winzigen Eisentür in den Tiefen eines großen Turmes. Sein Fußboden aus schwarzen Fliesen schimmerte im hellroten Widerschein des Feuers, doch die niedrige Decke des Raumes, die auf mächtigen Steinbögen ruhte, verlor sich in ewigem Dämmer. Abgebrannte Fackeln in Haltern und übereinandergeklebte, verlaufene Kerzenstummel legten beredt Zeugnis dafür ab, daß hier viel Nachtarbeit geleistet wurde.
Bei diesen Worten zuckte Fray Joaquin die Schultern in dem schwarzen Umhang. »Wenn er einen endlosen Vorrat an Gold hätte, warum hätte er dann wohl Euch zum Goldmachen angestellt? Beeilt Euch lieber; er hat König Karl im Norden unterstützt und dabei enorme Verluste gehabt – ganz zu schweigen von seinen Spielschulden und dem, was ihn das von ihm selbst verfaßte Lustspiel ›Die vier Jahreszeiten‹ gekostet hat.«
»Habe ich ihm etwa eingeredet, er soll Dichterkönig werden? Oder fremde Höfe besuchen, dabei von Kopf bis Fuß nach Duftwässern riechen, Epen deklamieren und seine Rivalen erdrosseln? Sagt an, ist das eine ehrbare Beschäftigung für einen Kriegsherrn? Und ich muß mich die ganze Zeit mit dem unfähigsten Glasbläser diesseits des Fegefeuers herumschlagen. Und mein Gewand! Seht Euch das an! Er hat mir zwei neue Gewänder im Jahr versprochen, dazu einen pelzgefütterten Umhang. Billige, stinkende Wolle von toten Schafen. Man sollte meinen, es hätte einen Vorbesitzer gehabt.«
»Hat es auch. Euren Vorgänger, der es trug, hat er gepfählt. Laßt Euch gesagt sein, Ihr verzieht zu lange. Und jetzt wollt Ihr Asmodeus nicht wieder anrufen. Es tut nicht gut, den Grafen zu
Weitere Kostenlose Bücher