Die Vision
zu stehen oder die hübschen Belohnungen, die ein großer Gönner seinem Chronisten zukommen läßt nicht das würde bei Gregory den Ausschlag geben, sondern die Tatsache, daß er ihn an seiner schwächsten Stelle, nämlich bei seinem Stolz auf seinen scharfen Geist erwischt hatte. Zum Vergnügen sammelte der Herzog zwar Frauen, aber wichtig und Lebenswerk war ihm das Sammeln von Männern. Diesem Studiengebiet und dieser Kunst hatte er sich verschrieben, daher kannte er sich vortrefflich in menschlichen Beweggründen aus. Und so war sein Stern aufgestiegen, wo andere auf der Strecke geblieben waren. Und nun, da er älter wurde, wachte er zuweilen des Nachts, wenn er nicht im Felde stand, auf und überlegte dann, daß es nicht das Schlechteste wäre, seine gesamten Heldentaten Schwarz auf Weiß aufzeichnen zu lassen, in Rot und Gold natürlich auch. Illuminiert, zumindest die Endfassung. Nicht ganz so umwerfend wie die Idee, Gott höchstpersönlich mit einem Meditationsbuch herumzubekommen, doch fast so gut.
»Würdet Ihr –?«
»Mylord!« rief Gregory mit ungeheuchelter Freude.
Watkin, der mittlere Sohn des Hirten, der barfuß inmitten seiner wolligen Schützlinge am Bachufer unter dem frischen Grün der Weide stand, entdeckte den berittenen Trupp als erster. Eine Reihe dunkler Gestalten mühte sich vor dem wogenden ersten Grün der Frühlingswiesen in der Ferne langsam den schmalen Pfad nach Brokesford Manor entlang. Beim Näherkommen konnte man an der Spitze eines halben Dutzends berittener Gefolgsleute die Gestalten von Sir Hubert und seinen beiden Söhnen ausmachen, dazu kamen zwei beladene Packpferde und ein rundes Dutzend Hunde, darunter auch die alte gefleckte Hündin, die dem alten Lord nicht von der Seite wich.
Laut rufend kam der Junge querfeldein gelaufen: »Sie sind wieder da! Sie sind wieder da!« damit die Knechte vom Herrenhaus das Haupttor öffnen konnten. Die Herren von Brokesford erweckten nicht den Eindruck, als kämen sie mit leeren Händen heim, obwohl die Jagdhunde, die neben den Packpferden liefen, abgehetzter aussahen als beim Aufbruch.
Margaret war aus dem niedrigen, reetgedeckten Brauhaus getreten, sie freute sich über alles, was sie hatte verbessern können.
Von Hals bis Knöchel in eine große, geborgte Schürze gehüllt, war sie dann ins Backhaus gegangen, um den frisch angesetzten Sauerteig in den Krügen, die man gerade von der kühlen Erde hochgehoben hatte, mit der Nase zu prüfen. An diesem Morgen blieben die breiten Ziegelöfen kalt, die Asche war gerade herausgeholt worden. Morgen sollte Backtag sein. Sie kräuselte die Nase, als ihr auch aus dem letzten Krug der scharfe, süßliche Geruch des hefeartigen Gebräus in die Nase stieg. Gut, alle gut geraten. Zudem hatte sie sich die Abwesenheit aller zunutze gemacht und den Hausverwalter mit ›Ostern steht vor der Tür‹ und der Notwendigkeit, einen dann besonders anspruchsvollen Herrn zufriedenzustellen, unter Druck gesetzt, einen Herrn, der nicht nur die Spatzen auf den Dächern sah, sondern auch den Dreck in den Ecken. Und so hatte man einige Lagen alte Binsen aus dem Herrenhaus herausgeschaufelt, auf den Komposthaufen geworfen und neue auf die geschrubbten Steinfliesen gelegt. Sogar die Kapelle hatte einen frischen, weißen Anstrich bekommen, so daß selbst die Weiße Dame erklärte, er sei zwar annehmbar, doch noch immer unter ihrer Würde.
»Was zum –« sagte Sir Hubert, als er durch das große Tor ritt. Die Schweineeimer und die wartenden Schweine waren vom Vorhof verbannt worden. Als er abstieg und zusah, wie man die Pferde fortführte, fiel ihm auf, daß die Misthaufen vor dem Stall, die sich irgendwie nicht beseitigen ließen und den Winter über immer höher wurden, abgekarrt waren, was wiederum die Fliegen bewogen hatte zu folgen. Der Daus, das zumindest ist gar keine so schlechte Idee, dachte er, nur darf sie das niemals wissen – sonst kommt sie noch auf den Gedanken, sie kann hier alles auf den Kopf stellen.
»Na, wo ist sie denn, deine Frau, Gilbert? Wissen Städterinnen nicht, wie man den heimkehrenden Herrn begrüßt?« Genau in diesem Augenblick sah Sir Hubert zu seiner Freude eine Gestalt vom Backhaus zur Küchentür am Ende des Palas flitzen, die sich im Laufen die Schürze herunterriß. Als ihn dann der Hausverwalter mit vielen Bücklingen in seiner eigenen Halle willkommen geheißen hatte, stand eine immer noch atemlose Margaret neben ihm und hielt dem alten Lord einen großen Becher Ale aus
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