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Die Vision

Die Vision

Titel: Die Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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zurückgegeben.«
    »Ich weiß«, sagte Margaret und schniefte in ihren Ärmel, »ich will doch auch nur dein Bestes.« Gefangen hat er dich, dieser alte Jäger, dachte sie bei sich. Gefangen wie einen Hasen im Netz, und du begreifst nicht einmal, was da vor sich gegangen ist.
    Hugo platzte in ihre kleine Szene.
    »Du hast weiß Gott eine Städterin zur Frau, Bruder! Das Herz einer wahren Lady schlägt höher, wenn ihr Geliebter davonreitet, um seine Feinde in den Staub zu werfen«, verkündete er. Und dann ging er mit großen Schritten weiter, ohne die Antwort abzuwarten, er wollte nachsehen, ob man seinen Brustharnisch nach der Schlacht um Withill Manor auch anständig gesäubert hatte. Margaret hob den Kopf von den Armen und starrte mit rotgeränderten Augen hinter ihm her.
    »Das kommt daher, daß sie froh ist, ihn loszusein, wenn er Euch auch nur im Geringsten gleicht«, sagte sie gehässig.
    »Margaret!« Gregory war entsetzt.
    Margaret biß sich auf die Lippen und schniefte. Sie hatte sich mit der Weißen Dame des öfteren über dieses Thema unterhalten und wußte genau, wovon sie redete.

    Ich mochte nicht glauben, was er mir an jenem Tag erzählte. Du lieber Gott! Meiner Lebtage hatte ich keine hirnverbranntere Idee gehört. So ist das bei den großen Herren: Sie haben einen Anflug von Hirnfieber, und flugs muß sich alles aufmachen und sich für ihre halbgaren Pläne umbringen lassen. Und alleweil Bücklinge machen und sagen: »Sehr wohl, Mylord! Brillant, Mylord!«
    Gar nicht so übel, sich zu einem so gräßlichen, gefährlichen Ort wie Frankreich davonzumachen, wo alles die englischen Mistkerle haßt, wenn man Spaß an Mord und Vergewaltigung und Plünderung hat. Daheim können einem derlei Betätigungen nämlich viel Arger eintragen, weil es die Nachbarn gegen einen aufbringt. Wohingegen man in fremden Landen seinem Sport huldigen und als reicher Mann heimkehren kann – falls man nicht als toter heimkehrt. Besser, falls man nicht teilweise heimkehrt. In der Regel das Herz in einem versiegelten Kästchen, das vereinfacht den Transport. Mir kann man nichts vormachen: Wenn etwas so unerquicklich ist, daß kein vernünftiger Mensch damit zu tun haben will, dann stellt man es flugs als Ehre hin.
    Aber was tut ein Mann, der ein Meditationsbuch schreiben will, in Frankreich? Reich oder wohlhabend kommt er jedenfalls nicht nach Hause. Jede Wette, es klappt nicht. Aber wer fragt schon eine Frau? Wenn man bedenkt, wie alte Soldaten immer hinter dem Ofen hocken und prahlen, so sollte man meinen, eine Chronik ließe sich getrost in der Behaglichkeit der eigenen vier Wände schreiben. Die Wahrheit trägt einem ohnedies nur Scherereien ein, denn sie könnte im Widerspruch zu den ganzen Lügenmärchen stehen, die zu Papier gebracht werden sollen.
    Aber hören Männer etwa auf die Stimme der Vernunft, wenn sie ganz aufgeblasen sind von ritterlichen Taten und courtoisie? Oh, nein. Das kommt, glaube ich, von ihrer Erziehung. Die macht sie leichtgläubig. Und vor allem wollen sie nicht hören, wenn die Stimme der Vernunft ihrer Frau gehört. Also ich, wenn ich ein Mann wäre, ich würde die Geldstrafe zahlen, mich nicht zum Ritter schlagen lassen und ein angenehmes Leben als Landedelmann führen und obendrein im Besitz meiner Arme und Beine bleiben. So machen es viele. In der City hält man es für klug und nicht für feige, sich von der Heerfolge freizukaufen. Das Geschäft trägt die Geldstrafe, denn es ist eine vernünftige Investition. Das hat mir Master Kendall erklärt, als er sich selbst freigekauft hatte, weil er ›für die Ehre zu alt sei‹, so hat er es in seinem Brief an den König ausgedrückt. Aber damit würde Gregory natürlich nicht durchkommen – nicht bei dieser Familie und falls er vor Gericht gewinnen und eines Tages seine Pacht eintreiben und seine Schulden abzahlen will. So haben ihm Ruhm und Ehre die Vereinbarung versüßt und ihm obendrein noch den Kopf verdreht.
    Ja, sogar ich kam in Versuchung, das Ganze für das Beste zu halten. An diesem Abend blickten ihn sein Vater und sein älterer Bruder immer wieder verstohlen an, so als hätte er ganz unerwartete und bewundernswerte Taten vollbracht. Ein ums andere Mal musterte ihn sein Vater gedankenverloren von Kopf bis Fuß – so wie man wohl ein Fohlen mit schlechter Veranlagung mustern würde, das den besten Hengst der ganzen Gegend ausgestochen hat. Stumm und staunend. Und dann brummte er in seinen Bart: »Im persönlichen Gefolge des Herzogs.

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