Die Vision
dachte ich, und nur darum bist du heraufgekommen. Erst küssen, dann ausplaudern; sind doch alle gleich, die Männer, ob nun alt oder jung. Von einigen Ausnahmen abgesehen – und das sind so verschwindend wenig, daß sie kaum ins Gewicht fallen.
»Wer minnt die wohl nicht«, sagte Damien fröhlich. »Wenn ich mir eine Herrin erwähle, dann eine keusche, die Liebespfänder nicht verteilt wie der Priester seinen Segen. Die bete ich dann aus der Ferne an und erwerbe mir einen großen Ruf, lange nachdem alle vergessen haben, mit wem du dich im Dreck gesuhlt hast.«
»Große Worte, große Worte für jemand, der so langsam ist wie du«, erwiderte Robert ungerührt, denn er war losgeworden, was er sagen wollte.
»Damien, Damien.« Cecily saß nicht mehr neben mir, sie stand bei ihm, der noch auf dem Boden hockte. Ihre Schwester folgte ihr auf den Fersen. Cecily hatte sich das Band aus ihrem roten Lockenschopf gezogen und hielt es ihm hin.
»Was ist das?« sagte er und blickte auf.
»Mein Liebespfand«, sagte sie und reichte ihm das lappige, schmutzige Ding. Robert lachte spöttisch. Alisons Gesicht lief rot an, Tränen schössen ihr in die Augen und liefen herunter.
»Du bist gemein, Cecily, immer mußt du die erste sein!« heulte sie.
»Du bist keine Herrin«, beharrte Cecily.
»Alison, Cecily! Benehmt euch!« Erschreckend, wie keck sie geworden waren. Cecily reckte das Kinn auf ihre störrische Art. Gleich würde es Arger geben.
»Keine Bange, Dame Margaret. Ich nehme es ihr nicht übel.« Damiens gute Laune war unverwüstlich.
»Du hast gesagt, daß du keine Herrin hast«, wiederholte Cecily.
»Meins auch, meins auch! Cecily kann keine Herrin sein. Dazu ist sie viel zu gemein!« Alisons Stummelfingerchen zogen das Haarband heraus.
»Anscheinend habe ich doch eine«, sagte Damien etwas verdutzt. »Eigentlich zwei kleine Herrinnen. Wenn ihr groß seid, erwählt ihr gewißlich glänzendere Ritter als mich, heute jedoch ist es mir eine Ehre.« Das gehörte zu den Dingen, die Damien so liebenswert machten: Er nahm Kinder immer ernst und beim Wort. Er griff nach den beiden Haarbändern, schlang daraus einen kunstvollen Liebesknoten und band sich die Enden um den Ärmel.
»So«, sagte er. »Jetzt kann ich es mit Drachen aufnehmen – mit Menschenfressern – und sogar mit den Franzosen.« Er lächelte wie gewohnt von einem Ohr zum anderen, ein sonniges Lächeln. Robert schaute angewidert drein. Gregory, der dem Ganzen mit strenger und mißbilligender Miene zugesehen hatte, schüttelte nur den Kopf, als wollte er sagen, Frauen, schamlos, kaum daß sie aus der Wiege sind.
»Herr Gemahl«, sagte ich, »Ihr habt Euch von mir nichts erbeten.«
»Von einer Ehefrau? Frankreich ist kein Turnier; außerdem besteht mein Gepäck diesmal aus Federn.«
»Und aus einem Schwert. Aber meinen Segen verweigert Ihr doch nicht?« Meine Dreistigkeit belustigte ihn. Wer hatte hier schließlich Theologie studiert?
»Natürlich nicht«, antwortete er. »Nur immer zu.«
Ich konnte nicht anders. Als er sich bei der Fensterbank vor mich hinkniete, da spürte ich, wie das Licht in mir hochstieg. Ich legte ihm die Hände auf und fühlte, wie es aufflammte und sich den Weg bahnte. Es leuchtete durch die Knochen meiner Hände und loderte zwischen uns wie eine dünne Flammenwand. Es rann durch unsere beiden Leiber und heilte unterwegs – eine alte Prellung, eine Muskelverspannung, einen Schnitt mit dem Küchenmesser. Es war, als lebte es. Und als alles vorbei war, breitete es sich aus und erhellte den Raum – ein gelbliches Hellrosa, ehe es aufglühte und verlosch.
»Mein Gott, Margaret, hast du aber kühle Hände«, sagte Gregory. Er bewegte die Schultern. »Hmm. Komisch. Diese Prellung, die ich mir an der Stechpuppe zugezogen habe, fühlt sich viel besser an. Hast du gemerkt, wie die Sonne gerade eben hinter einer Wolke hervorgekommen ist? Hat das Zimmer richtig hell gemacht.«
Damien und Robert waren ganz still geworden. Sie hatten von dem, was sie gerade taten, abgelassen und standen wie angewurzelt.
»Was guckt ihr so?« fragte Alison. »Genau das macht Mama immer, wenn wir uns das Knie aufgeschlagen haben.«
»Mylady Margaret«, sagte Damien mit unsicherer Stimme, »würdet Ihr mich auch segnen?« Robert tat es ihm stumm nach, und so knieten sie sich einer nach dem anderen hin. Wie hätte ich ihnen abschlagen können, was sie brauchten, selbst wenn ich mich damit verriet?
Aber als sie danach ganz ehrfürchtig vor mir standen,
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