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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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dick.«
    Geschickt wich das Mädchen zur Seite, der Mann fiel, wobei ihm Brett und Faß folgten, vornüber.
    Seine Trinkgesellen lachten übermütig, einer tat, als wolle er das Faß rauben, weshalb der Branntweinhändler sich auf ihn warf. Ein Gerangel war die Folge, bis der Torwächter mit dem Schaft seiner Hellebarde grob dazwischenstach. Ein eifriges Männlein hatte ihn auf das Geschehen aufmerksam gemacht und beobachtete im Schatten des Tores zufrieden den Wächter, der unnachsichtig auf die am Boden liegenden Männer eindrosch. Einen Augenblick zu lange genoß er das Bild roher Kraft, über die er selbst nicht verfügte. Als er sich wieder nach dem Mädchen umsah, war es verschwunden. Fluchend löste er sich aus dem Torbogen.
    Columba war fröhlich in das Gewimmel am Kai eingetaucht. Sie fand bei all diesen groben Kerlen, was Herrensöhne bei ihren Stallknechten fanden: eine rauhere und freiere Welt fern von Vorschriften und leeren Regeln, die Ausdünstung menschlicher Wärme, den Wechsel zwischen schweißtreibender Arbeit und ungehemmter Faulenzerei, eine von Schimpfen und Sprüchen gewürzte Sprache, kölschen Singsang und kehlig-rauhe, holländische Töne, die ihr geheimnisvoller und lebendiger schienen als das gezierte Reden der Vornehmen.
    Fuhrknechte, Sackträger und Gewölbediener eilten mit Schubkarren einher. Be- und entluden die Nachen, Fähren und Kauffahrteischiffe. In Fässern, Kisten und Körben wurden Heringe aus Holland zum Fischhaus gerollt, Winterkohl von der anderen Rheinseite marktfertig verpackt, Tuche aus England und baltisches Getreide zum Stapelhaus transportiert, wo die Zöllner die Sachen prüften und die Kölner Kaufleute drei Tage lang das Vorkaufsrecht auf diese fremdländischen Waren hatten, bevor sie weiter rheinauf verschifft werden konnten. Leihzähler standen neben den Schiffsstegen und registrierten im Auftrag der Schiffspatrone die Ladung.
    Columba bewunderte das bunt bewimpelte Ratsschiff, mit dem Kölns Regierung hohen Besuchern das Geleit zu geben pflegte. Daneben ankerte das Schiff der spanischen Delegation, eine hübsche holländische Koef mit seitlichen Kielbrettern, Heckruder und zwei Segeln, blau und silbern beflaggt. Bei ihrer Weiterfahrt würden die Spanier in ein zierlicheres Boot umsteigen, um sich den Rhein hinauf treideln zu lassen, sobald das Wetter es erlaubte. Columba blickte über den Rand des Kais und bewunderte die spiegelnde Eisfläche, die die Schiffe fest umschloß. Tief darunter gurgelte grünlichschwarz der Rhein, aber kein Zweifel, die Schicht war fest genug, um ...
    Eine magere Hand krallte sich in ihren rechten Arm. Erschrocken fuhr Columba herum und blickte in das Gesicht eines zahnlosen Weibleins. Ein grobes Tuch hing ihr tief in die Stirn und über das linke Auge, ganz so, als habe sie etwas zu verbergen. Das Brandzeichen einer Diebin vielleicht.
    Columba griff nach dem kleinen Geldbeutel an ihrem Gürtel, umschloß ihn fest mit der Hand und riß sich heftig von der Alten los, die heiser kicherte. »Hast Angst, schöne Taube vor einer Eule wie mir? Lahm wie ich bin und halb blind?«
    Sie zog das Tuch aus der Stirn, und Columba blickte halb entsetzt, halb fasziniert in eine leere Augenhöhle. Ein Gesicht, an dem der Tod bereits seine Künste geprobt hatte. »Ich will dir nichts, schöne Taube, zarte Taube.«
    Columba stutzte bei der beharrlichen Wiederholung dieser Anrede, die die deutsche Entsprechung ihres Namens war. »Was willst du?«
    »Ich sag dir die Zukunft für nur einen Groschen.«
    »Ein Groschen! Du bist ja toll.« Sie wandte sich ab.
    »Du hast viel mehr zu geben, das sehe ich«, schimpfte die Alte, »und was ich weiß, schöne Taube, ist soviel wert wie zwei Quart Wein.«
    »Zwei Fettmännchen kannst du haben, das reicht für ein Pintgen«, feilschte das Mädchen. Sie griff in die Geldbörse und ließ die kölnischen Kupfermünzen hüpfen.
    Die Alte leckte sich beim Klimpern die Lippen. »Gib deine Hand«, sagte sie fast grob und riß Columbas Linke zu sich heran, drehte sie um und beugte sich mit schräggelegtem Kopf darüber. Ihr rechtes Auge schien die feinen Linien abzutasten, sie murmelte tonlos vor sich hin und tat ganz plötzlich einen Schrei, schrill und hoch. Sie ließ Columbas Hand fahren. »Was soll das?« fragte ihre Kundin ungehalten, »dafür gebe ich kein Geld. Rede endlich.«
    »Erst die Münzen.« Columba zahlte. Das Weib tat zwei schleichende Schritte zurück, dann hob sie das Haupt und starrte das Mädchen böse

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