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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Gesindes im Halbkreis aufgestellt. Der Kaufherr wandte sich mit feierlichem Ernst an den Freiherrn.
    »Bist du hier, damit du Columba van Geldern zu einem heiligen Bunde und zum Bettgenossen nehmen willst?«
    Der dralle Mann räusperte sich und sagte dann das vorgeschriebene »Ja, ich«.
    Arndt van Geldern sah nun seiner Tochter Columba fest in die Augen, sie erwiderte mit überheblich stolzem Blick. Für Außenstehende mochte es den Anschein haben, als prüften zwei Duellanten gegenseitig ihre Verwegenheit.
    »Bist du hier, damit du Fritjof van Ypern ...«
    Wieder räusperte sich der Flame. »Freiherr«, soufflierte er in Richtung seines künftigen Schwiegervaters, der aber beachtete den Einwurf nicht, sondern fuhr fort: » ... zum ewigen Gesellen und Bettgenossen nehmen willst?«
    Van Gelderns Augen bohrten sich wie Dolche in die seiner Tochter.
    Columba schwieg. Mertgin seufzte hörbar, und die anderen senkten peinlich berührt den Blick. Kaum einer von ihnen hätte unter den Augen des Dienstherrn eine so freche Schweigepause gewagt. Endlich machte van Geldern einen drohenden Schritt nach vorn. Er brachte sein Gesicht dicht an das seiner Tochter heran. Sie senkte endlich die Augen.
    »Ja, ich«, stieß sie mühsam hervor.
    »Ach«, seufzte der Bräutigam gerührt, »welch sittsame Bescheidenheit mein teures Täubchen doch hat. Kaum traut sie sich, den heiligsten Stand der Frauen, den der Jungfrauschaft ...«
    Ein Schnauben Julianas unterbrach ihn.
    »Den Ring«, zischte der Brautvater unwirsch. Der Freiherr besann sich und zog einen goldenen Reif aus seiner Brusttasche.
    Van Geldern griff nach der linken Hand seiner Tochter, zerrte sie zu sich heran und bot sie dem Freiherrn. Der wollte nun den Ring an Columbas Finger stecken, doch der Reif erwies sich als zu eng.
    »Er will nicht passen, der gottverdammte ...« Erneutes Schnauben, diesmal war es Mertgin. Lazarus, der hinter ihr stand, beugte sich vor und flüsterte: »Ist dies, deiner Meinung nach, ein schlechtes Omen?«
    Mertgin warf ihm über die Schulter einen halb strafenden, halb mitleidigen Blick zu. Lazarus’ Miene verschloß sich in kaltem Spott.
    »Gebt ihr einfach den Gottesheller und die Morgengabe«, sagte der Kaufherr und brachte damit die inzwischen unwürdige Prozedur zu einem Ende.
    Fritjof versenkte den ärgerlichen Ring in seinem Wams, zog statt dessen den Gottesheller hervor, der den Heilich besiegelte, und nahm von einem Diener einige in Seide gehüllte Goldstücke und Edelsteine entgegen, die die Braut später an Arme und Bedürftige zu verteilen hatte. Beides gab er van Geldern, der drückte es Columba in die Hände, die nicht wagte, es abzulehnen.
    Aufseufzend trug der Kaufherr den letzten Teil der Verlobungsformel vor: »Ich befehle euch hiermit zur Heirat mit Gold und Gestein, Silber und Geld, beides nach Fränkischer und Sachsen Weise, daß keiner von euch vom anderen lassen soll, weder um Leben noch um Leid, noch um kein Ding, das Gott dem einen oder anderen in den Weg legen wird.«
    »Amen«, sagte der Diakon. »Die Ehe soll nach zwei weiteren Aufrufen von der Kanzel an Mariä Lichtmeß geschlossen werden. Mein Segen sei mit euch.«
    Der Freiherr van Ypern wischte sich mit einem zierlichen Taschentuch kleine Schweißperlen von der Stirn. Die Türflügel des Saales wurden aufgetan, und ein Diener kam mit einem silbernen Krug und zwei Bechern herein.
    Stumm brachte er das Tragbrett zur Braut und verneigte sich kurz. Columba schenkte ein und bot einen Becher ihrem Bräutigam an. Sie hielt die Augen gesenkt, während er den Wein heinabstürzte. Dann reichte er ihr den anderen Becher. Noch einmal senkte sich angespannte Stille über den Saal. Wie geistesabwesend nahm die Braut den Becher, führte ihn an die Lippen und nippte. Ganz zierlich.
    »Den Durst eines Vögelchens hat meine Taube. Den Durst eines Vögelchens.« Der Freiherr überspielte mit jovialer Munterkeit die offensichtliche Beleidigung. »Ich hoffe nur, in der Ehe ist sie mir eine bessere Trinkgefährtin, schließlich heißt es gerade über die Kölnerinnen, daß sie mit jedem Mann mithalten können, wo es ums Trinken und Feiern geht.« Er wirbelte herum. »Wo bleibt die Musik, das Essen? Laßt uns feiern.«
    Die Zuschauer verharrten auf ihrer Position.
    »Der Kuß«, soufflierte diesmal der Vater der Braut.
    Van Ypern biß sich die Lippen. Der Kuß, selbstverständlich. Er beugte sich zu Columba herab, die ihn mit freudlosen Augen ansah. Ganz nah war er nun ihren Lippen, noch

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