Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
mit mir in die Kapelle, dort können wir ungestört reden.«
Verdutzt folgte der Junker dem dürren Weib. »Also?« fragte er laut, noch bevor sie die Kapellentür geöffnet hatte.
Noch einmal brachte Mertgin ihn mit einer Geste zum Schweigen. Erst als sich die Tür mit sanftem Klappen hinter ihnen schloß und sie in einer Bank Platz genommen hatte, begann sie zu sprechen.
»Es geht um Columba.«
»Das sagtest du schon«, maulte der Freiherr gereizt.
»Sie will Euch nicht heiraten.«
»Was wagst du, Weib, so mit mir zu reden!« Er hob die Hand. Zitternd krümmte Mertgin sich in der Bank zusammen, redete aber weiter. »Ich will Euch nicht beleidigen, Herr, aber es ist nun einmal so, daß meine Herrin einen anderen liebt.«
Der Freiherr öffnete den Mund voller Erstaunen. »Einen anderen? Wen?«
»Das tut nichts zur Sache, denn er ist tot. Und nur darum hat sie sich entschlossen, in den Konvent einzutreten.«
»Der vor drei Tagen aufgelöst wurde! Wo, zum Teufel, steckt das Mädchen?«
Mertgin fuhr bei dem Fluch zusammen und sprach eine Bannformel mit Blick auf die Madonna. Sie tat es flüchtiger als sonst, denn es lag ihr daran, das Gespräch fortzusetzen, bevor der Mut sie verließ. »Ich glaube, ich weiß, wo Columba ist.«
Der Freiherr beugte sich aufgeregt zu ihr hinab.
»Dann sag es ihrem Vater. Er wird sie schon hierher zurückbringen.«
Mertgin seufzte. »Eben das will ich vermeiden. Columba und ihr Vater sind von ähnlichem Temperament, beide stur und unbeweglich in ihren einmal gefaßten Entschlüssen. Wenn er Columba mit Gewalt hierher zurückführt, wird sie sich weiter hartnäckig weigern, Euch zu heiraten. Glaubt es mir, sie bringt es fertig, vor dem Angesicht des Herrn und der Gemeinde, ihr Ja zu der Ehe mit Euch zu verweigern.«
Wut verzerrte das feiste Gesicht des Junkers. »Ich hätte nicht übel Lust, dieses elende kleine Biest mit meiner Faust bekannt zu machen. Nichts als Demütigungen bringt sie mir ein. Nein, ich habe genug, ich werde nach Dordrecht zurückkehren, ich werde ...«
Mertgin sprang auf und legte ihre Hand auf seinen Arm. »Ich bitte Euch, tut es nicht. Nicht ohne Columba jedenfalls.«
»Du sagtest selbst, sie würde mich nicht heiraten.«
»Nicht, wenn Ihr Vater sie dazu zwingt. Was aber, wenn Ihr sie heimlich aus Köln wegführt, wenn Ihr ihr Retter wäret, der Mann, der sie aus diesem Haus wegbringt, aus der Macht des Vaters befreit. Sie ist ein lebensfrohes Geschöpf, ich bin sicher, daß sie wieder zu ihrem alten Wesen zurückfindet, wenn sie nur erst aus Köln fort ist.«
Mit gekrauster Stirn starrte der Junker das Weiblein in der Kirchenbank an. Hatte sie recht? Würde ein Beweis seines Mannesmutes Columba für ihn einnehmen? Das Gespräch im Garten fiel ihm wieder ein, Columbas Vorschlag, die Ketzer zu befreien. Ja, sie hatte diese seltsame Abenteuerlust im Blut. Ganz sicher. Lästige Geschichten. Er mußte sich setzen, um das Für und Wider von Mertgins Vorschlag abzuwägen. Immer noch sprach vieles für die Einheirat in die mächtige Sippe van Geldern. Das Erbe lockte. Ein Erbe, dem bald noch das Vermögen der Schwägerin zugeschlagen würde. Die hübsche Meute junger Jagdhunde, die er kürzlich auf einem Gut bei Brühl besichtigt hatte, stahl sich in seine Überlegungen. Ja, das Erbe würde sicher noch großzügiger ausfallen als die Mitgift und die mögliche Entschädigung, die ihm ein Prozeß um das Heiratsversprechen einbrächte. Und doch. Er räusperte sich.
»Was du mir vorschlägst, ist die Entführung einer Kölner Bürgerin, darauf stehen hohe Strafen. Ich weiß nicht ...«
»Sie ist Euch bereits anverlobt, mit Zustimmung des Vaters. Kein Richter wird es eine Entführung nennen, wenn Ihr mit Eurer Braut nach Dordrecht reist, um sie dort zu heiraten.«
»Aber ihr Vater wird sie verstoßen, vom Erbe ausschließen.«
Mertgin schüttelte energisch den Kopf. »Das wird er nicht tun. Diese Ehe ist für ihn ein Geschäft, Ihr wißt es. Warum sollte das Geschäft verdorben sein, nur weil Ihr den entscheidenden Schritt tut, um es abzuschließen?«
Der Junker richtete sich plötzlich auf und musterte die Magd im trüben Schein der Kerzen, die zu Füßen der Holzmadonna brannten. »Warum bist du so interessiert an einer Heirat zwischen mir und deinem Schützling, von dem du behauptest, sie liebt einen anderen?«
Mertgin seufzte. »Columba wurde mir als Kind anvertraut. Ich kenne ihr ungestümes Wesen, ich weiß, wie unbesonnen sie oft handelt, wie
Weitere Kostenlose Bücher