Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
schüttelte den Kopf. »Nichts vergaß ich. Doch in Köln schöpfte der Finanzsekretär Cristobal Verdacht, daß ich ein Spitzel sei. Er entließ mich aus seinen Diensten. Es schien mir daher ratsam, mich eine Weile aus dem Geschehen zurückzuziehen.«
Oranien sah ihn zweifelnd an. »Nun gut, die Nachrichten über die Kriegsbeihilfe gegen die Niederlande, die Cristobal beim Papst erbitten sollte und inzwischen erhalten hat, war eine wichtige Information. Du hast gut gearbeitet. Aber noch nicht genug.«
Lazarus sah sich unruhig in dem prunkvollen Schlafzimmer um, betrachtete den Gobelin mit einer Darstellung der Schlacht von St. Quentin, in der Oranien und Egmont, Seite an Seite mit ihm, für Philipp und gegen Frankreich gekämpft hatte. Lazarus räusperte sich. »Mit Verlaub, werter Fürst, ich bin zur Zeit nicht frei, um mich ganz Eurer Sache zu widmen.«
Oranien richtete sich jäh in seinem Kissen auf. »Soll das heißen, du hast in vollem Ernst den Sold dieses spanischen Truppenwerbers angenommen? Ich hasse es, dich wieder in spanischer Tracht zu sehen. Hast du dein Fähnlein nach dem Winde gedreht? Ich warne dich, ein Sturm wird dir ins Gesicht blasen. Philipp unterschätzt die Niederländer.«
»Er ist mir so verhaßt wie jeder Tyrann, der die Menschen nur darum verfolgt, weil sie ihre Freiheit wollen.«
»Du weichst mir aus. Sage mir offen und ehrlich, ob du gedenkst, für den König und gegen dein eigenes Land zu kämpfen?«
»Nie und nimmer. Und doch kann ich meinen Freund Don Seraph nicht verlassen. Er versprach mir, mich mit sich nach Köln zu nehmen, und dahin muß und will ich, sobald es möglich ist. Am liebsten noch morgen.«
»Was treibt dich an den Rhein?«
»Eine Angelegenheit, die nichts mit unserer Sache zu tun hat und mir dennoch ebenso teuer, so wichtig ist. Es geht um meinen Seelenfrieden, ohne den ich nicht frei denken und handeln kann.«
Oraniens Züge entspannten sich. »Ich sehe, daß auch du in gewissen Fällen die Verschwiegenheit vorziehst. Nun, auch ich will – wie die Königin von England zu sagen pflegt – keine Fenster in die Seelen der Menschen stoßen. Aber vielleicht kann ich dir die Reise nach Köln ermöglichen und finanzieren.«
Lazarus richtete sich gespannt in seinem Lehnstuhl auf. Oranien lächelte. »Es handelt sich ebenfalls um eine Angelegenheit, die meinem Seelenfrieden dient. Meine Gattin fürchtet, daß sie als deutsche Protestantin in den Niederlanden nicht mehr lange sicher ist. Die Zweifel an meiner Spanientreue wachsen. Es wäre mir lieb, wenn du sie nach Köln geleiten würdest, wo wir Freunde haben. Reiche Freunde.«
Lazarus blickte kurz auf. Er wußte, daß die Flucht der Fürstin einem weiteren Zweck diente. Sie sollte bei deutschen Freunden, bei protestantischen Landesfürsten, um Geld bitten. Geld, um Truppen anzuwerben. Oranien also war entschlossen, Philipp die Stirn zu bieten. Er nickte stumm. »Ich verstehe. Dankend nehme ich den Auftrag an, habe aber eine Bitte.«
»Du wirst ausreichenden Lohn empfangen, ich verdoppele den Sold, den du von diesem Don Seraph empfängst.«
»Darum ist es mir nicht zu tun, aber es geht um Don Seraph. Ich möchte, daß er mich begleitet.«
Oranien stieß mit den Beinen die Bettdecke zurück und schwang sich aus dem Bett. »Bist du des Teufels? Warum sollte ich einen spanischen Söldner in meinen Zug aufnehmen?«
Lazarus hob abwehrend die Hände. »Er ist kein treuer Spanienfreund, er ist nicht einmal Spanier, sondern Deutscher wie Ihr, Kölner sogar. Er kann uns Zutritt in die Stadt verschaffen, in der ich nicht eben wohlgelitten bin. Mache ich den Truppführer, wird man uns die Einfahrt verbieten ...«
Drohend stand Oranien vor ihm. »Und darum soll ich mir eine Laus in den Pelz setzen?«
»Er ist ein Söldner vom alten Schlag, für ihn zählt nicht, für wen er kämpft, nur daß er kämpft. Gegen gutes Geld. Wenn Ihr ihn in Euren Dienst nehmt, dann verspreche ich Euch, daß er die besten Männer anwirbt, um für Euch zu kämpfen, sobald das Geld dafür bereitsteht.«
Oranien griff nach einer Kanne kalten Biers, die neben seinem Bett stand, und leerte sie in einem Zug. Er strich sich den Schaum aus dem Bart, dann sagte er: »Wenn du dich irrst, Lazarus, dann ist das dein Tod.«
Der junge Mann verneigte sich mit der Geschmeidigkeit eines höfischen Ritters.
Noch in derselben Nacht wurde der Zug der Fürstin zusammengestellt. Voran ritten Lazarus und ein grimmig schweigender Don Seraph. Die Reisewagen der
Weitere Kostenlose Bücher