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Die Visionen von Tarot

Die Visionen von Tarot

Titel: Die Visionen von Tarot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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mildem Erstaunen den Kopf. „Was eigentlich einzig für beide Seiten, Studenten und Lehrkörper funktionierte, war das kleine, persönliche College aus Ihrer Zeit.“
    „Das war nicht schlecht“, stimmte Paul zu. „Jeder kannte jeden, und das ließ einen guten Gemeinschaftsgeist aufkommen. Wenngleich auch damals nicht alles eitel Freude gewesen ist.“ Nein, es war wie eine große Familie gewesen, und ganz im Gegensatz zum herkömmlichen Ideal existierten auch innerhalb von Familien die erbittertsten Gegensätze. Aber es war besser, im positiven wie im negativen Sinn, mit dem Leben konfrontiert zu sein als isoliert.
    „Es gab einige unerfreuliche Erscheinungen. Es gab eine Reihe von versuchten Vergewaltigungen unter den Studenten, häufige Besuche von Personen auf dem Campus, die mit Drogen handelten, und uneingeladene Gäste in den Collegegebäuden. Man stellte einige Wächter an. Einige Studenten hießen sie willkommen, andere reagierten zornig und nannten sie bezahlte Spione des Rektors oder der Gesellschaft und so weiter.“
    „So etwas gab es auch zu meiner Zeit“, stimmte Paul zu. Er schämte sich für keine seiner Handlungen aus diesen Tagen, bedauerte jedoch die Bemerkung ‚über seine Pflicht hinaus’ dem Nachtwächter gegenüber. Denn später hatte er erfahren, daß dieser Nachtwächter beträchtliche Sympathie für die Position der Studenten empfand. Der Mann hatte aus dringenden finanziellen Gründen diesen Job angenommen, weil er in Eile heiraten mußte, als seine Freundin schwanger wurde. Es hatte ihm nicht gefallen, die Studenten anzuschwärzen, doch es war eine Bedingung für seine Einstellung gewesen, und seine Ehre verlangte von ihm, sein Bestes zu geben. Am Ende des Jahres kündigte er; er hatte es nicht länger aushalten können. Paul hatte ihn beschuldigt und lächerlich gemacht – obwohl der Nachtwächter eigentlich eine verwandte Seele war. Nun richtete Paul den Blick kurz nach innen: Herr, laß mich das nie wieder tun!
    „Das war noch extremer“, sagte Will. „Ein Student brannte das, Wachhaus’ nieder und rechtfertigte seine Tat mit dem Anspruch, daß die Freiheit des Wortes zur Tat führen müsse, wenn Argumente und wiederholte Anfragen nicht zum Erfolg führen.“
    Noch extremer? Paul wunderte sich. Dieser Student hatte Eigentum vernichtet. Paul würde niemals sicher wissen, ob er Schuld an der Zerstörung eines Lebens hatte. Eine scheinbar harmlose Bemerkung konnte ätzender wirken als Arsen.
    Will fuhr fort in seiner Beschreibung, wie der Collegepräsident pensioniert wurde, sowie der Schwierigkeiten bei der Neubesetzung der Stelle, berichtete über das Wiederaufleben der Hauptversammlungen und die damit verbundenen Probleme, den ständigen Zufluß neuer Ideen und die wild verteidigte Individualität der einzelnen Mitarbeiter. Verschleppungstaktik blieb ein Instrument der Legislative, im Mikro- wie auch im Makrokosmos, und das College prägte das Motto: „Die Ausnahme ist die Regel.“ Es gab chronische finanzielle Schwierigkeiten. Die Auflösung der Weltgesellschaft führte den Exodus herbei und zeigte auch hier seine Wirkung. Doch das College hatte als Einheit überlebt und würde vielleicht weiterbestehen und erfolgreich sein. Die Einzelheiten hatten sich verändert, doch es war im Kern das College geblieben, das Paul gekannt hatte. Möglicherweise stabilisierte es sich in den kommenden mittleren Jahren.
    Paul dankte Will ausdrücklich für die ihm geschenkte Zeit und insgeheim einfach dafür, daß er Will war. Dann ging er los, um Carolyn zum Abendessen einzufangen. Es war ein gutes Gefühl, vom College wiederaufgenommen worden zu sein. Ein Aspekt, den er seit zwanzig Jahren vermißt hatte, wurde nun vervollständigt. Auf diese Weise war er irgendwie wieder gesund geworden.
    Carolyn spielte mit mehreren anderen Kindern auf einem verrückten, von den Studenten angelegten Spielplatz. Es gab eine Art Keller mit einer hinabführenden Leiter und einen Tunnel, den man aus etwa zwanzig aufgehängten Reifen gebaut hatte – für ein Kind ein Riesenspaß. Carolyn wollte nicht mitkommen, bis er sie an den Kakao erinnerte. Er hoffte, ihr würde es mit der Zeit nicht allzugut hier gefallen.
    Nach dem Abendessen bewunderten sie die Kritzeleien an den Treppen auf der Rückseite des Gebäudes – offensichtlich das Hinterteil des Hauses. Paul mußte seiner Tochter einige Wörter erklären – das war immer eine gute Übung in Sachen Aufklärung für ihn. Es war sein Prinzip, ihr jede

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