Die Voegel der Finsternis
perfekt zu mir", sagte Bern. „Die früheren Eltowen entwarfen ihn, um sich zum Gebet zu sammeln und das Gen desjenigen zu verstärken, der hier eintritt." Er kicherte. „Sie bedachten aber nicht, dass er auch jedes gesprochene Wort verstärkt und nicht nur ihre, sondern auch meine Macht vergrößert."
„Ich werde jetzt meine Kräfte sammeln", sagte er. Camber verstand, dass er sie bat, ruhig zu sein, weil das, was er vorhatte, allergrößte Konzentration erforderte. Sie beobachtete, wie er seine Augen schloss, und verstand nicht, warum sie Bern eben noch als Ärgernis gesehen hatte. Es war großartig, was er hier unternahm, um dem Schattenkönig den Weg zu ebnen. Sie sollte ihn verehren. Und warum hatte sie bisher nicht bemerkt, wie gut er aussah?
Sein Körper spannte sich. Er sprach Worte, die Camber nicht kannte und die sie vergaß, kaum dass er sie ausgesprochen hatte. So ging es eine Zeit, während Camber bewegungslos im Eingang verharrte. Endlich richtete Bern sich auf, sah sich um und nickte. „Geschafft", sagte er. „Ich habe die mittlere Pyramide so weit verschoben, dass alle Formen, die damit in Berührung kommen, zusammenfallen werden." Camber verneigte sich ehrfürchtig. „Und jetzt?", flüsterte sie.
„Heute Nacht ist Vollmond. Wenn er wieder voll ist, wird der Schattenkönig die körperliche Welt betreten." Bern trat dicht an sie heran. „Doch nun sind deine Kräfte gefordert", sagte er. „Kannst du dieses Haus mit einem Schwarzen Unsichtbarkeitszauber belegen?" „Ellowen Mayn wird weder in der Lage sein, das Grenzhaus zu finden, noch wird er sich daran erinnern können, dass er es aufsuchen will", antwortete sie stolz.
Rascide, der oberste Seher der Seherschule von Bellandra, stand am Fenster über der Bellanbucht und betrachtete die atemberaubende Aussicht über Wasser und Sand.
„Habt Ihr die Königin je zu Gesicht bekommen?", fragte seine Assistentin Chandra.
Rascide drehte sich um. Chandras grünes Gewand war ein einziger Knitterhaufen. Warum war eine so begabte Seherin nicht in der Lage, auf ihre Erscheinung zu achten? Immer wenn er sie darauf aufmerksam machte, versprach sie, sich zu bessern. Und nun waren sie hier im Palast von Bellandra vor einer wichtigen Unterredung mit der Königin und Chandra sah zerkrumpelt aus wie eh und je. Eigentlich war es ihm egal, was für einen Eindruck sie auf die Königin machten, diesen Emporkömmling aus dem Barbarenland. „Einmal aus der Ferne, vor vielen Jahren, als König Landen seine Braut zum ersten Mal nach Bellandra brachte. Damals war ich noch jung, Chandra, nicht viel älter als du." „Warum hat sie nie die Seherschule besucht? Ich dachte, sie sei selbst eine Große Seherin." „Chandra, manchmal bist du wirklich ein Kindskopf." Die bleiche Stirn der jungen Frau zog sich ärgerlich zusammen. „Herr?" „In der Tat trägt die Königin diesen Titel, doch nur, weil sie König Landen geheiratet hat. Sie besitzt den Kristall der Großen Seherin, weil ihr Vater, Kareed der Eroberer, ihn Maria, unserer letzten Großen Seherin, stahl. Damals, als der Palast geplündert wurde."
„Aber - wollt Ihr damit sagen, dass sie gar keine Visionen hat?", fragte Chandra entsetzt „Oh, doch. Sie hat eine gewisse Gabe, die sie jedoch nicht verfeinert hat. Ihre visionäre Kraft wird auf Grund ihres Standes übertrieben."
„Verzeiht, Herr, sie könnte doch von uns unterrichtet werden?"
Rascide hüstelte trocken. „Keiner der Schulleiter, mich selbst eingeschlossen, hielt es für angebracht, eine Hochstaplerin in unserer Schule aufzunehmen. Hätte sie darauf bestanden, wären wir dazu genötigt gewesen. Zum Glück ist es nie so weit gekommen." „Aber wenn Ihr glaubt, dass sie nicht wirklich die Große Seherin ist, wer ist es dann? Auf das Amt der rechtmäßigen Seherin kann Bellandra nicht verzichten. Wem gehört dann der Kristall, wenn nicht ihr?" Rascide schnaubte. „Da der Kristall gestohlen wurde, war es nicht möglich, eine förmliche Prüfung durchzuführen."
„Herr, ich habe viele Male gehört, dass Hellsehen die einzige Möglichkeit sei, als Seher anerkannt zu werden." Sie blickte auf ihre molligen Hände.
Ja, Chandra. Du sitzt hier mit deinem wirren Haar und deinem zerknitterten Gewand, weil du eine begabte Seherin bist. Ich leite die Schule der Seher, weil ich immer schneller und weiter in die Zukunft sehen konnte als andere. „Verstehst du denn nicht, Chandra, sie ist die Königin." Chandras Mondgesicht blieb unberührt. „Es muss
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