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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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Devin, der, die Hände in die Mähne der geduldigen Stute vergraben, auf sie wartete. Als Maeve ihre Arme um den Jungen schlang, klammerte er sich an sie. Jasper legte dem Pferd das Zaumzeug wieder an.
    Sie entfernten sich eilig von der Stadtmauer und kamen in ein Gewirr düsterer Gassen, wo ausgemergelte, zerlumpte Frauen und Kinder dünne Arme nach ihnen ausstreckten und um Brot bettelten. Es mussten Freigeborene sein, denn sie trugen keine Schnitte. In Slivona hatte Maeve nie Kontakt zu Freien gehabt, denn ihr Leben war ganz auf das Badehaus und das Herrenhaus von Lord Indol beschränkt gewesen, wo Freie keinen Zutritt hatten. Jetzt wäre sie froh gewesen, ein bisschen Brot für sie zu haben.
    Sie erreichten eine breitere Straße, wo Laternen an hohen Pfeilern ihr schales Licht verbreiteten. Maeve fragte sich, ob Mantedi jemals zur Ruhe kam. Überall drängten sich Menschen, hauptsächlich Männer, wenige Frauen und gelegentlich auch ein Kind. Viele trugen Narben im Gesicht - die häufigste Zeichnung waren ineinander verschachtelte Quadrate an den Schläfen.
    Devin hatte Maeves Hand gefasst, Jasper ging auf ihrer anderen Seite und hielt ihren Arm. Je näher sie dem Meer kamen, desto dichter wurde die Menschenmenge, desto lauter und lebhafter die Straßen und desto unerträglicher der Gestank von ungewaschenen Körpern, Abfällen und Laternenöl, überlagert von einem fischigen Geruch. In diesem Teil der Stadt sah Maeve keine Bäume, nur Häuser aus Stein und Holz. Viele der Vorübergehenden hatten rußverschmierte Gesichter. Es waren Minenarbeiter. Lila hatte Maeve von den unterirdischen Minen erzählt, in denen immer Nacht herrschte. Maeve sah keine Narben auf den geschwärzten Gesichtern. Also mussten es Freigeborene sein. War sie nun eine von ihnen? Auch Cabis Denon war ein Freigeborener gewesen, der aus einer Traumwenfamilie stammte. „Der Enkel des letzten großen Traumwen, der einzige Sohn einer einzigen Tochter .. vielleicht bist du ein Traumwen, Maeve." Ein Mann auf einem braunen Pferd kam ihnen entgegen. Etwas an ihm erregte Maeves Aufmerksamkeit. Und obwohl er dünner war, als sie ihn in Erinnerung hatte, erkannte sie ihn sofort. Es war Orlo.

 
20
    Sara wusste, dass sie träumte. Es war kein schöner Traum - eine Schar schwarzer Vögel jagte sie und kam näher und näher. Sie versuchte aufzuwachen, doch es gelang ihr nicht, dem Traum zu entfliehen. Die Vögel, ungefähr ein Dutzend, kreisten sie ein und stießen groß und schwarz auf sie herab.
    Ein Platschen und Spritzen rüttelte sie wach. Sie lag in ihrem flachen Floß unter dem Sternenhimmel. Sie hörte ein Husten und Spucken und beugte sich über den Rand. „Dorjan?" Ja." Er hustete und schnaufte.
    „Halt dich fest!", schrie sie. Er ergriff das schwankende Floß. Sie schob sich über die aufgeweichten Bretter auf die andere Seite. „Ich halte das Gleichgewicht, dann kannst du raufklettern."
    Er versuchte es, sie sah, wie sehr er sich anstrengte. „Tut mir Leid", murmelte er, „ich habe keine Kraft mehr." „Warte." Sara ließ sich auf ihrer Seite ins eiskalte Wasser plumpsen und schwamm um das Floß herum zu Dorjan, der sich an die Bretter klammerte. „Dorjan, ich bin ja so froh, dass du lebst." Sie hatte das Bedürfnis,
    ihn zu berühren, und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich bin so froh, dass du da bist" Ihre Stimme klang rau. „Ich helfe dir."
    Er lächelte sie an. „Sara, es ist nicht mehr weit Von hier aus höchstens noch hundert Meilen." Auch seine Stimme klang kratzig.
    Zitternd hielten sie sich im Wasser. Als er sich ein wenig erholt hatte, gelang es ihnen mit vereinten Kräften, ihn auf das Floß zu bringen. Sara kletterte nach ihm hinein.
    „Danke", flüsterte er.
    „Ich habe überall nach dir gesucht Wo warst du? Auf
    dem Meeresgrund?"
    „Beinahe."
    „Schau Dorjan, wie hell die Sterne leuchten."
    ,Ja. Schade, dass wir kein Feuerchen aus ihnen machen
    können."
    „Der Mond ist so schön."
    „Sehr schön." Sein Gesicht im Mondlicht war ein Bild der Erschöpfung.
    Sie legte sich hin und kuschelte sich an ihn, um ihn zu wärmen. Viel Wärme hatte sie nicht abzugeben. Er legte seine Hand in die ihre und schloss die Augen. Bald war er eingeschlafen. Sara aber lag noch eine Weile wach. Sie fragte sich, ob sie träumte, als ein überirdisches Licht auf das Floß fiel. Ein schimmerndes Licht wie Perlmutt, in dem das Lied des Tezzarin widerhallte. Sara rührte sich nicht, um den Zauber des
    Augenblicks nicht zu

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