Die Vogelfrau - Roman
veränderte seine Gestalt, schrumpfte, wurde wieder länglich und war auf einmal eine Schattierung dunkler.
»Jetzt lass doch diese Spielerei, Cenk.« Bloch war selber über seinen gereizten Tonfall verwundert. »Zum Ausprobieren ist es gut genug.«
Bloch platzierte das Computertier an der rechten Seite von Hoffmanns Stuhl. »Jetzt simulieren wir mal das Blut. In welche Richtung spritzt es? Wie viel Blut trifft den Hund?«
»So geht es nicht, Chef. Wenn der Hund so sitzt, dann bekommt er alles auf den Rücken oder ins Gesicht.«
Warum störte ihn Cenks Widerspruch?
Er hatte doch recht.
Churchill ließ sich mit einem resignierten Seufzer auf die Seite fallen. Offensichtlich war kein zweites Schokoladenbonbon zu erwarten. Also widmete er sich seiner Lieblingsbeschäftigung. Cenk wandte den Blick über die Schulter.
»Genauso könnte es gewesen sein, Chef. Schauen Sie mal, wie er jetzt liegt.« Auch Kommissar Bloch sah hinüber zum Hund.
»Er hat auf der rechten Seite gelegen«, frohlockte Cenk und griff zur Computermaus. »So, so und so.« Zufrieden klickte und schob er ein wenig an dem Bild herum. »Jetzt stimmt es, Chef.«
Ja, es stimmt, dachte Bloch. Ich weiß es genau. Er liegt immer auf der rechten Seite. Auch nachts in meinem Bett. Dann bohrt er mir nämlich alle vier Pfoten in den Bauch.
»Jetzt haben wir es. Der Hund bekommt einen ganzen Schwall Blut ab und zwar nur auf der linken Seite. Er wird wach, schaut wahrscheinlich noch in aller Gemütsruhe dabei zu, wie der Mörder verschwindet und setzt sich dann erst mal hin.«
»Genau, und zwar mitten in die Blutpfütze«, ergänzte Meyer. »Sein Hintern war ja auch von einem beeindruckenden Blau.«
»So weit so gut, dieser Teil wäre also geklärt, Chef. Nur, wie kommt das Blut vom Hund zur Löble?«
»Das ist eigentlich ganz einfach, Cenk. Wir gehen dafür mal in die Vogelperspektive.«
Das Bild änderte sich. Sie sahen nun von oben auf die schematisierte Leiche Hoffmanns. Ein großer Blutfleck hatte sich sowohl auf der Tischplatte als auch rechts von ihm auf dem Boden ausgebreitet. Mittendrin saß der Schemahund. Eine Gestalt erschien in der Tür.
»Nehmen wir an, das ist die Löble, Cenk. Wir nehmen es jetzt einfach mal an und verzichten auf kosmetische Anpassungen, o.k.?«
»Schon gut, Chef«, brummte Cenk und starrte gebannt auf den Bildschirm. »Machen Sie weiter.«
»Also, die Löble betritt das Zimmer. Was tut sie wohl zuerst?«
»Sie läuft zum Schreibtisch«, meinte Cenk.
»Der Hund, sie geht zuerst zum Hund«, mutmaßte Meyer.
»Ist das eigentlich wichtig für unsere Ermittlungen?«
Cenk zuckte die Schultern. Meyer schüttelte den Kopf.
»Also, nehmen wir mal an, sie geht zuerst zum Hund.« Bloch bewegte die Figur in direkter Linie zum Hund. Es sah aus, als liefe sie auf unsichtbaren Schienen.
»Was macht sie dort? Wie verhält sich Churchill?«
Der Hund zuckte kurz mit den Ohren, als er seinen Namen hörte.
»Der Hund sitzt ja bereits«, überlegte Cenk. »Vielleicht springt er an ihr hoch?«
»Der, und springen?« Meyer konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. »Der ist wahrscheinlich in seinem ganzen Leben noch nie gesprungen.«
»Nein, er macht etwas ganz Typisches. Etwas, das alle Hunde tun, wenn sie nass geworden sind.«
»Er schüttelt sich«, rief Meyer aufgeregt. »Na klar, er schüttelt sich, das macht mein Wotan auch immer. Und er wartet immer – aber auch hundertprozentig wirklich immer – so lange, bis jemand neben ihm steht, den er dann von oben bis unten nass spritzen kann. Ich sagte es ja schon, diese Sorte Hund hat einen ganz miesen Charakter.«
Churchill nahm diese Anschuldigung gelassen und schnarchte ungerührt weiter.
»Wotan?« Bloch war irritiert. »Ich dachte, Sie haben einen Dackel, Herr Meyer?«
»Ganz recht. Jetzt glauben Sie nur nicht, dass ich ein verkappter Rechtsradikaler bin, Herr Bloch. – Nein wirklich ...« Er grinste verlegen. »Das war so eine Schnapsidee meines jüngsten Sohnes. 15 Jahre ist er. Sie wissen schon, voll im pubertären Wahnsinn. Mein Sohn fand, wenn wir uns schon einen kleinen Spießerhund zulegen, dann soll er wenigstens einen urdeutschen Namen tragen, einen Namen, wie ein Deutscher Schäferhund oder so. War vielleicht nicht ganz glücklich diese Namenswahl, aber was soll ich machen? Wotan ist der einzige Name, auf den er hört – zumindest manchmal.«
»Nur eine Frage.« Cenk schaute unschuldig. »Welchen Namen hatten Sie denn vorgeschlagen, Herr Meyer?«
»Ich? Nun
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