Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vogelfrau - Roman

Die Vogelfrau - Roman

Titel: Die Vogelfrau - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Blatter
Vom Netzwerk:
sind die Dinge, die uns beherrschen. Nur so ist der Wahnsinn erklärbar, dass sich auch die moderne Wissenschaft so ausführlich mit dem Müll beschäftigen musste. – Wissen Sie eigentlich, welcher sachfremde Gegenstand sich am häufigsten im Biomüll findet?«
    »Nein, aber Sie werden es mir sicher verraten.«
    »Kartoffelschälmesser, Herr Kommissar. Es sind Kartoffelschälmesser. Auch dazu hat es eine groß angelegte Studie gegeben. In den Niederlanden, wenn ich mich nicht irre. Wissen Sie jetzt, was ich von der Wissenschaft halte, Herr Kommissar?«
    »Nun?«
    »Müll. Wissenschaft ist Müll allerübelster Sorte. Und genau das halte ich auch von Ihrer Spurensuche auf meinem Pullover.«
    Ihre Gedankengänge waren zwar ein wenig umständlich gewesen, aber die Schlussfolgerungen waren nachvollziehbar, sozusagen einer wissenschaftlichen Denkweise angepasst – auch wenn die Löble das vermutlich nicht gerne gehört hätte.
    Früher, zu den Zeiten, als sie noch Hexen verbrannten, da gab es in Konstanz keine Müllabfuhr. Die Menschen kippten ihren Unrat in die engen Gassen zwischen den Häusern. Der nächste Regen spülte dann alles in den Bodensee. Im Sommer, wenn der Regen wochenlang auf sich warten ließ, muss es entsetzlich gestunken haben. Mit den Müllbergen wanderte wohl auch das eine oder andere unerwünschte Baby mit in den See. Kindermord war schon seit Jahrhunderten ein vollkommen normales Mittel der Familienplanung. Man durfte sich nur nicht erwischen lassen.
    »Trotzdem, Frau Löble, auch wenn Sie persönlich das Vertrauen in die Wissenschaft verloren haben, wir als Kriminalisten kommen an diesen Ergebnissen nicht vorbei. Überlegen Sie doch noch einmal genau. Die Wischspuren an Ihrem Pullover können wir zwanglos mit Ihrer Aussage erklären. Das vereinfacht die Sache für Sie zwar nicht unbedingt, aber wir haben zumindest den Ansatz einer Erklärung. Lästigerweise sind da jedoch diese Blutspritzer – wie müssen wir uns das vorstellen? Blut spritzt normalerweise nur aus offenen Wunden, wenn das Opfer noch einen nennenswerten Blutdruck hat. Ergo muss das Herz noch geschlagen haben – also lebte Hoffmann noch, als Sie ihn sahen. Sie müssen zugeben – das ist suspekt. In hohem Maße suspekt.«
    Die Löble schwieg. In ihrem Gesicht zuckten verschiedene Muskelgruppen, besonders die Mundpartie war in ständiger Bewegung. Sie hielt den Blick gesenkt und beobachtete ihre Hände, die ein eindrucksvolles Eigenleben führten.
    Plötzlich blitzte in ihren Augen wieder der Kobold auf. Beinahe gleichzeitig erschienen auch die hektischen roten Flecken an ihrem Hals. Noch bevor sie etwas sagen konnte, öffnete sich ein weiteres Mal leise und vorsichtig die Tür.
    »Chef?«
    Als hätte sie nur auf dieses Stichwort gewartet, ließ die Löble ein gigantisches Lachen in den stillen Raum hineinplatzen. Es war wie eine Explosion. Sie warf den Kopf in den Nacken und riss den Mund sperrangelweit auf. Sie wedelte hilflos mit den Armen und ihr großer Busen hob und senkte sich in einem krampfhaften Wellenschlag.
    Cenk sprang hastig ins Zimmer. Offensichtlich dachte er, dass die Löble einen Krampfanfall hatte und kurz davor war zu ersticken.
    Seine Hilfe war aber vollkommen unnötig. Die Löble beruhigte sich und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. Das Tonband lief weiter.
    »Das ist doch einfach zu blöd«, japste sie kurzatmig, noch immer unterbrochen von kurzen Kicheranfällen. »Zu blöd.«
    »Können Sie uns das bitte näher erklären?« Manchmal fiel es selbst Bloch schwer, seine überparteiliche Ruhe und Ausgeglichenheit zu bewahren.
    »Erklären? Aber gerne! Das Dumme ist nur – wahrscheinlich werden Sie mir wieder kein Wort glauben.«
    Der verzweifelte Ernst ihrer Situation war der Löble ganz offensichtlich nicht bewusst.
    »Es war der Hund.«

22. Kapitel
    Topsannah hat mir gesagt, sie wird nicht in unser Inipi mit hineinkommen.
    Wahrscheinlich ist sie unrein.
    Ich habe schon seit vielen Monaten meine Tage nicht mehr bekommen.
    Topsannah entkleidet mich. Ihre Hände sind hart und kalt.
    Der Meister ist bereits im Inneren der Schwitzhütte. Ich höre sein monotones Singen. Es klingt nur gedämpft nach draußen. Dumpf wie der Ton seiner Handtrommel.
    Ich friere.
    Im Röhricht ist es still. Kein Windhauch. Der Himmel ist so weit über dem stillen Wasser. Er ist sehr hell, fast weiß. Es ist besser ich senke den Blick.
    Ich betrete die kuppelförmige Hütte.
    Nun befinde ich mich im Bauch von Mutter

Weitere Kostenlose Bücher