Die Voliere (German Edition)
168 des Strafgesetzbuches, steht in der Regel nur eine Geldstrafe.«
Rosen blieb stumm, aber sein Schweigen war beredt genug.
»Wie ich schon sagte, es war Ihre Absicht, ins Gefängnis zurückzukommen, richtig? Bruno sollte bezeugen, dass Sie einen Mord begangen haben.«
Schweigen.
»Wollen Sie sich nicht dazu äußern?«
Rosen blieb stur, deswegen ging Nora aufs Ganze. Auch wenn Sie wusste, dass sie zu einer Lüge greifen musste. Denn auch wenn man Rosen den Mord nicht nachweisen konnte: Eine Leiche mit einer Bogensäge in handliche Stücke zu zerteilen und einer anderen mit einer Axt den Kopf vom Rumpf zu trennen, reichte in den Augen der meisten Richter aus, um ihn bis ans Ende seines Lebens in eine psychiatrische Anstalt einzuweisen. Rosen war zwar schlauer als er nach außen hin vorgab, aber für so clever hielt sie ihn dann doch nicht.
»Also gut. Sie sind kein Mörder. Nach Sachlage müssen wir Sie also freilassen. Ich sehe zu, dass Neumann heute noch herkommt. Wir schauen, wo wir Sie unterbringen können.«
Nora stand auf und hielt dem fassungslosen Rosen die Hand hin. Der nicht minder fassungslose Gideon erhob sich ebenfalls und meinte: »Nora, können wir kurz draußen reden?«
Doch bis zur Tür schafften sie es nicht. »Ich dachte, er lebt noch«, startete Rosen einen letzten Versuch.
»Nein, dachten Sie nicht. Bruno ist Arzt, wenn auch Tierarzt; er hat Ihnen bestätigt, dass Kiefer tot ist.«
Gideon schüttelte verwundert den Kopf.
Rosen atmete tief durch, dann gab er auf. »Also gut. Sie haben recht. Als ich Kiefer im Wald begegnete, bekam er vor meinen Augen einen Herzanfall. Jedenfalls glaube ich, dass es einer war. Albrecht hat mir geholfen.«
»Aber Sie haben nicht versucht, Hilfe zu holen.«
»Er ist vor meinen Augen verreckt. Er hat es verdient. Wer hätte uns auch helfen wollen?«
»Und welche Gegenleistung haben Sie Albrecht dafür geboten?«
»Ich habe ihm verraten, wo wir seine Schwester verscharrt haben.«
Nora starrte Rosen an. Dann schob sie ihm ein leeres Blatt und einen Kugelschreiber über den Tisch. »Schreiben Sie auf, wo.«
»Ich hab ihm versprochen, es niemandem zu verraten.«
»Wollen Sie raus oder nicht?«
Rosen kratzte sich am Kopf. »Lieber nicht«, sagte er schließlich. Und dann begann er zu schreiben.
Die beiden Polizisten beobachteten ihn schweigend. Als er fertig war, überflog Nora das Schriftstück und reichte es an Gideon weiter, der das Blatt ungelesen zusammenfaltete und in die Brusttasche steckte.
Wenige Minuten später wurde Heinz Rosen wieder in die Arrestzelle gebracht. Sie gaben sich zum Abschied die Hand.
»Danke«, sagte Rosen. Sein Händedruck war weich und warm, Nora dachte an Willi und was in Rosen vorgehen musste, der nun zum zweiten Mal seinen Wegbegleiter verloren hatte – dieses Mal endgültig.
Die Zellentür fiel zu. Das Letzte, was sie von Rosen zu Gesicht bekam, war sein Lächeln.
»Frau Winter?«, ertönte es gedämpft hinter der Zellentür.
Nora gab dem Wachhabenden ein Zeichen, der die Klappe aufschloss.
Rosens Gesicht erschien in der Öffnung. Er schien mit sich zu kämpfen. »Ich habe das Mädchen damals umgebracht. Katharina.«
»Ja?« Nora war klar, dass Rosens Geständnis ein wichtiger Schritt für ihn war. Für sie beide. Er hätte dieses Wissen auch mit in sein Grab nehmen können. Also ließ sie ihn reden.
»Sie hatte uns unmaskiert gesehen. Wir haben Streichhölzer gezogen, wer es tun muss. Es hat mich erwischt, gleich beim ersten Mal. Aber ich glaube, die beiden anderen haben gemogelt – es gab nur kurze Streichhölzer. Ich habe ihr ein Kissen aufs Gesicht gedrückt.« Er starrte einen Augenblick ins Leere. »Es ging ganz schnell.«
»Nein, Herr Rosen, ersticken geht nicht schnell«, widersprach Nora.
Er sah sie an, dann nickte er bestätigend.
»Schreiben Sie Bruno einen Brief«, schlug sie vor. »Ich denke, er würde es wissen wollen. Lassen Sie nichts aus.« Wieder ein Signal an den Wachhabenden und die Klappe fiel endgültig zu.
Gideon begleitete Nora aus dem Polizeipräsidium. Sein Angebot, sie nach Hause zu bringen, schlug sie aus.
»Dass jemand mit der Drohung unter Druck gesetzt werden kann, dass er aus dem Knast raus muss, hatte ich noch nie«, staunte er. »Hab ich dir übrigens schon erzählt, dass wir den Jungen gefunden haben?«
»Timm Wawerzinek? Wo war er denn?«
»In einem Vorratskeller in Kiefers Brauerei. Erst hat er behauptet, er sei von zu Hause abgehauen, weil er Streit mit seiner
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