Die Voliere (German Edition)
gewesen war, wohl kaum ans Leder gehen. Er musste schlimmstenfalls mit einer mündlichen Verwarnung rechnen.
Chiazza ging einen Tisch weiter zu Tibursky.
»Der Kopf wurde im Fall zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel vom Rumpf getrennt. Das führt, außer bei langjährigen Beamten, fast immer zum Tod. Ob es sich bei dem Sturz um Vorsatz oder Unfall handelt, kann ich leider noch nicht sagen. An ihm haben wir zahlreiche Gewebespuren gefunden, die noch im Labor sind.«
»Auch Spuren von Frau Kiefer?«, wollte Nora wissen.
Chiazza verneinte. Es sei ausnahmslos männliche DNA gefunden worden. Kiefer wolle er sich für später aufheben, sagte er anschließend, der habe eine Überraschung zu bieten. Die Anwesenden betrachteten neugierig den aufgedunsenen kopflosen Leichnam, der jedoch nichts preisgab.
»Mit Anna Kiefer haben wir ein Mordsglück: Ihr Kopf ist im Gegensatz zum restlichen Körper weitgehend unversehrt. Vermutlich hat jemand die Säcke mit dem Kopf und dem linken Arm weit vom Haus weggeschleppt, bevor er vom Feuer überrascht wurde. Jedenfalls handelt es sich bei der Todesursache um multiple Hirnblutungen infolge einer offenen Schädelfraktur. Verursacht durch Gewalteinwirkung mit einem stumpfen Gegenstand.«
»Moment mal«, unterbrach Doktor Keitel Chiazza, »heißt das, sie ist erschlagen worden?«
»Erschlagen, unglücklich gefallen – mehrmals auf die gleiche Stelle …« Chiazza grinste. »Außerdem Strangulationsmale am Hals. Sieht so aus, als hätte jemand versucht, sie zu erwürgen, und ihr dann, als sie bewusstlos war, eins über den Schädel gezogen.«
»Sagten Sie nicht, Tibursky sei mit ihr auf dem Dorffest gesehen worden?«, wandte Keitel sich an Nora.
»Darum meine Frage, ob Frau Kiefers DNA an Tibursky gefunden wurde.«
Sie musste sofort an Lefeber denken und wie recht er mit seiner Einschätzung gehabt hatte. Keitels Verdacht richtete sich zuallererst auf den ehemaligen Strafgefangenen.
»Hier schließt sich der Kreis, denn …«, Chiazza breitete die Arme aus, »… wir haben passendes Gewebe unter seinen Fingernägeln gefunden.« Er trat an Tobin Kiefers Tisch.
»Ihr Blut und anderes Gewebe aus der Kopfverletzung. Außerdem haben wir die Strangulationsmale am Hals mit seinen Händen verglichen. Passen zusammen wie Finger in Auge. Sagt man das so?«
»Faust aufs Auge. Kiefer hat also seine eigene Frau umgebracht?«, fragte Richter.
»Eine Möglichkeit. Oder er hat sie gewürgt, bevor sie von jemand anderem umgebracht wurde. Als er seine tote Frau fand, hat er dann ein bisschen in der tödlichen Wunde herumgestochert.« Chiazzas Finger demonstrierten, wie Kiefer dabei vorgegangen sein könnte. »Nicht sehr realistisch, dieses Szenario, gebe ich zu.«
»Hat er sie auch zersägt und in den Tüten verpackt?«, fragte Keitel.
»Ich denke nicht. Das passende Werkzeug, eine Bügelsäge, ist von der Spurensicherung gefunden worden. Darauf befinden sich weder DNA-Spuren von Kiefer noch von einem der anderen Herren.«
Chiazza deutete auf die Säge, die neben Kiefers Leiche gefunden worden und zur Überprüfung ebenfalls ins Institut gebracht worden war. An den Zähnen klebte noch getrocknetes Blut.
»Rosen?«, wollte Nora von Gideon wissen.
»Möglich. Wir klären das ab«, sagte er und kritzelte etwas in seinen Notizblock.
»Jetzt kommen wir zu diesem wohlgenährten Herrn hier«, sagte Chiazza und tätschelte Tobin Kiefers Schienbein.
»Todesursache akuter Myokardinfarkt.«
Grabesstille im Saal. Kiefer war an einem Herzinfarkt gestorben.
»Der Kopf wurde erst postmortal vom Rumpf getrennt. Das geht auch mit den Aufnahmen der Spurensicherung konform.«
»Dein feiner Herr Albrecht hat angeblich beobachtet, wie Rosen Kiefer getötet hat«, sagte Gideon.
»Dann hat mein feiner Herr Albrecht vielleicht gelogen?«
»Warum sollte er?«
»Darüber muss ich nachdenken«, wehrte Nora ab. Aber sie hatte eine leise Ahnung, was zwischen Albrecht und Rosen abgelaufen war, vorgestern im Scheelbacher Forst.
Chiazza fuhr fort, im Detail zu beschreiben, wie Rosen Kiefers Kopf vom Körper getrennt hatte, zeigte dabei das Tatwerkzeug und beantwortete Fragen.
Zwei Stunden später senkten sich die weißen Laken ein letztes Mal über die Toten; sie wurden in die Kühlkammern zurückgebracht, in denen sie noch ein paar Tage bleiben würden, bis die Untersuchungen abgeschlossen waren und man die Leichen zur Bestattung freigab. Man verabschiedete sich knapp, die Untersuchungsberichte seien
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