Die volle Wahrheit
aufgezogen war. »Außerdem haben sie kleine Zangen, damit würden sie sich bestimmt festhalten…«
»Wer hat kleine Zangen?«
»Die Krabben. Damit würden sie sich festhalten und…« »Du nimmst meine Ausführungen zu wörtlich, Hochwürden«, sagte
Vetinari scharf.
»Oh.«
»Ich wollte nun Folgendes betonen: Wenn wir die Ereignisse nicht am Kragen fassen, packen sie uns an der Kehle.«
»Das könnte Ärger geben, Herr«, erwiderte Ridcully. Er hatte festgestellt, dass sich diese Bemerkung für jede Debatte eignete. Außerdem bewahrheitete sie sich oft.
Lord Vetinari seufzte. »Nach meinen Erfahrungen bringt praktisch alles Ärger. Das liegt in der Natur der Dinge. Wir können nur mitsingen.« Er wandte sich von der Karte ab. »Wie dem auch sei… Ich werde den fraglichen Zwergen einen Besuch abstatten.«
Er kehrte zu seinem Schreibtisch zurück, streckte die Hand nach der kleinen Glocke aus, zögerte dann und griff stattdessen nach einem Rohr aus Messing und Leder. Das Mundstück hatte die Form eines Drachen.
Vetinari pfiff hinein und fragte dann: »Herr Drumknott? Ich brauche die Kutsche.«
Ridcully richtete einen argwöhnischen Blick auf das neue Sprachrohr. »Bilde ich es mir nur ein, oder riecht es hier ziemlich streng?« Lord Vetinari musterte ihn verwundert und sah dann nach unten.
Ein Korb stand unter dem Schreibtisch, darin schien ein toter Hund zu liegen – Erscheinungsbild und Geruch vermittelten diesen Eindruck. Alle vier Beine wiesen nach oben. Nur gelegentlich abgehende Blähungen ließen den Schluss zu, dass vitale Prozesse stattfanden.
»Es liegt an seinen Zähnen«, sagte der Patrizier kühl. Der Hund namens Wuffel drehte sich auf die Seite und sah mit einem schwarzen, unheilvollen Auge zu dem Priester auf.
»Für einen Hund in seinem Alter geht es ihm gut«, sagte Hughnon in dem verzweifelten Versuch, an einem sich plötzlich stark neigenden Hang emporzuklettern. »Äh, wie alt ist er jetzt?«
»Sechzehn«, sagte der Patrizier. »In Menschenjahren sind das mehr als hundert.«
Wuffel richtete sich halb auf und knurrte. Ein sehr unangenehmer Geruch kam aus den Tiefen des Korbs.
»Er ist sehr gesund«, sagte Hughnon und versuchte, nicht zu atmen. »Für sein Alter, meine ich. Ich schätze, man gewöhnt sich an den Geruch.«
»An welchen Geruch?«, fragte Lord Vetinari.
»Ah. Ja, natürlich«, sagte Hughnon.
Lord Vetinaris Kutsche rumpelte durch den Schneeregen in Richtung Schimmerstraße. Ihren Insassen hätte es überrascht zu erfahren, dass nicht weit entfernt in einem Keller jemand an die Wand gekettet war, der große Ähnlichkeit mit ihm hatte.
Die Kette war recht lang und ermöglichte es dem Mann, Tisch, Stuhl, ein Bett und ein Loch im Boden zu erreichen.
Derzeit saß er am Tisch. Ihm gegenüber hatte Herr Nadel Platz genommen. Herr Tulpe lehnte drohend an der Mauer. Jede einigermaßen erfahrene Person hätte sofort das Guter-Polizist-böser-Polizist-Szenario erkannt, mit dem Nachteil allerdings, dass es keine Polizisten waren. Dafür gab es einen schier unerschöpflichen Vorrat an Herrn Tulpe.
»Nun… Charlie«, sagte Herr Nadel. »Was hältst du davon?« »Es ist doch nicht illegal, oder?«, fragte der Mann namens Charlie.
Herr Nadel breitete die Arme aus. »Was ist Legalität, Charlie? Nur Worte auf Papier. Aber du stellst nichts Falsches an.«
Charlie nickte unsicher. »Aber zehntausend Dollar… Normalerweise bekommt man nicht so viel Geld für etwas Richtiges. Zumindest nicht dafür, nur ein paar Worte zu sagen.«
»Herr Tulpe hat einmal noch mehr Geld dafür bekommen, nur einige wenige Worte zu sprechen, Charlie«, sagte Herr Nadel besänftigend. »Ja, die Worte lauteten: ›Gib mir das …te Geld, wenn die Kleine nicht dran glauben soll‹«, warf Herr Tulpe ein.
»War das richtig ?«, fragte Charlie mit einem nach Herrn Nadels Meinung sehr ausgeprägten Todeswunsch.
»Absolut richtig, unter den gegebenen Umständen«, sagte Herr Nadel.
»Ja, aber es geschieht nicht oft, dass man so viel Geld verdient«, meinte der selbstmörderische Charlie. Er sah immer wieder zum überaus kräftig gebauten Herrn Tulpe, der in der einen Hand eine Tüte hielt und in der anderen einen Löffel. Mit diesem Löffel schaufelte er weißes Pulver zur Nase, zum Mund und einmal sogar – wenn Charlie seinen Augen trauen konnte – zum Ohr.
»Nun, du bist ein besonderer Mann, Charlie«, sagte Herr Nadel. »Und anschließend lässt du dich für lange Zeit nicht blicken.«
»Ja«,
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