Die volle Wahrheit
Nachrichten über Om zu verbreiten. Aber sei guten Mutes! Bestimmt hast du auch eine frohe Botschaft, bezüglich Io.«
»Was? Oh. Ja, natürlich. Im letzten Monat hat er sich erkältet, aber inzwischen ist er wieder wohlauf.«
»Prächtig. Das sind gute Neuigkeiten. Die Drucker wären sicher bereit, sie für dich zu verbreiten, und zwar genau so, wie du es dir wünschst.« »Und das sind deine Gründe, Herr?«
»Glaubst du, ich hätte noch andere?«, erwiderte Lord Vetinari. »Meine Motive sind wie immer völlig transparent.«
Hughnon dachte darüber nach. »Völlig transparent« bedeutete, dass man entweder geradewegs hindurchsehen oder sie überhaupt nicht erkennen konnte.
Der Patrizier blätterte in einigen Unterlagen. »Im letzten Jahr hat die Graveursgilde ihre Gebühren gleich dreimal erhöht.«
»Oh, ich verstehe«, sagte Hughnon.
»Eine Zivilisation basiert auf Worten, Hochwürden. Worte sind Zivilisation. Und sie sollten nicht zu teuer sein. Die Welt dreht sich, Hochwürden, und wir müssen uns mit ihr drehen.« Lord Vetinari lächelte. »Früher kämpften die Nationen wie grunzende Tiere in einem Sumpf gegeneinander. Die Stadt Ankh-Morpork beherrschte einen großen Teil jenes Sumpfes, weil sie die besseren Krallen hatte. Heutzutage nimmt Gold den Platz von Stahl ein, und der Ankh-Morpork-Dollar scheint die von allen bevorzugte Währung zu sein. Vielleicht sind morgen Worte die einzigen Waffen. Die meisten Worte, die schnellsten, die letzten. Blick aus dem Fenster und sag mir, was du siehst.«
»Nebel«, sagte der Hohepriester.
Vetinari seufzte. Manchmal hatte das Wetter kein Gespür für narrative Zweckdienlichkeit.
»Bei gutem Wetter«, sagte er scharf, »könntest du den großen Nachrichtenturm auf der anderen Seite des Flusses sehen. Worte fliegen hin und her, erreichen uns von allen Ecken des Kontinents. Vor nicht allzu langer Zeit nahm ein ganz gewöhnlicher Briefwechsel mit Gennua fast einen Monat in Anspruch. Heute kann ich schon am nächsten Tag mit einer Antwort rechnen. Gewisse Dinge werden leichter, aber auf eine andere Weise werden sie dadurch auch schwieriger. Wir müssen umdenken und mit der Zeit gehen. Hast du vom T-Commerce gehört?«
»Mit dem kommerziellen Kram kenne ich mich aus. Die vielen Teesorten…«
»Ich meine, heute kann man eine Nachricht nach Gennua schicken und ein Glas… Krabben bestellen, wenn man möchte. Ist das nicht erstaunlich?«
»Sie wären ziemlich verdorben, wenn sie hier einträfen, Herr.«
»Ja. Es war nur ein Beispiel. Aber stell dir eine Krabbe mal als Ansammlung von Informationen vor!« Es funkelte in den Augen des Patriziers.
»Willst du andeuten, dass Krabben per Semaphor reisen könnten?«, fragte der Hohepriester. »Nun, vielleicht ließe es sich irgendwie bewerkstelligen, sie von einem Turm zum nächsten zu werfen…«
»Ich wollte darauf hinweisen, dass Informationen ebenfalls ge- und verkauft werden«, sagte Lord Vetinari. »Und dass Dinge, die früher als unmöglich galten, heute kaum mehr ein Problem darstellen. Könige und Lords kommen und gehen, hinterlassen nichts weiter als Statuen in der Wüste, während zwei junge Männer, die in einer Werkstatt basteln, die ganze Welt verändern.«
Er trat zu einem Tisch, auf dem eine Karte der Scheibenwelt lag. Es handelte sich um eine Arbeitskarte, was bedeutete: Sie wurde oft zu Rate gezogen. Überall war sie mit Anmerkungen und Markierungen versehen.
»Wir haben immer jenseits der Stadtmauern nach Eroberern Ausschau gehalten«, sagte der Patrizier. »Wir haben immer geglaubt, die Veränderungen kämen von außen, für gewöhnlich von Schwertern begleitet. Und dann sehen wir uns um und stellen fest, dass der Wandel im Kopf einer Person beginnt, die man auf der Straße kaum bemerken würde. Unter gewissen Umständen mag es nützlich sein, den betreffenden Kopf zu entfernen, aber seit einiger Zeit gibt es immer mehr davon.«
Er deutete auf die Karte.
»Vor tausend Jahren haben wir die Welt für eine Schüssel gehalten«, fuhr Lord Vetinari fort. »Vor fünfhundert Jahren wussten wir, dass sie eine Kugel ist. Heute hingegen wissen wir: Die Welt ist flach und rund und wird auf dem Rücken einer Schildkröte durchs All getragen.« Er drehte sich um und bedachte den Hohepriester mit einem weiteren Lächeln. »Fragst du dich nicht, welche Form sie morgen haben könnte?«
Doch eine Eigenschaft der Ridcullys bestand darin, einen Faden erst dann loszulassen, wenn das ganze Kleidungsstück
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