Die volle Wahrheit
werde…«
»Ich fürchte, da kommst du zu spät«, sagte der Anwalt und setzte sich
wieder. »Nun gut, Herr Nadel. Es geht um Geld, nicht wahr?«
»Das uns zustehende Honorar, plus weitere fünfzigtausend.«
»Aber ihr habt den Hund nicht gefunden.«
»Ebenso wenig wie die Wache. Und die hat einen Werwolf. Alle suchen den Hund. Der Köter ist verschwunden. Aber er spielt auch gar
keine Rol e mehr. Jetzt kommt es nur noch auf diesen Kasten an.«
»Als Beweismaterial taugt das nicht viel…«
»Glaubst du? Du fragst uns nach dem Hund und sprichst von Killern.
Ich wette, Mumm könnte eine ganze Menge damit anfangen. Er scheint
kein Mann zu sein, der solche Dinge ignoriert.« Herr Nadel lächelte
humorlos. »Du weißt das eine oder andere über meinen Partner und
mich. Unter uns gesagt…« Er beugte sich vor. »Einige unserer Aktivitä-
ten könnten als, nun, Verbrechen bezeichnet werden…«
»Zum Beispiel al die …ten Morde«, warf Herr Tulpe ein und nickte.
»Und da wir Kriminelle sind, könnte man in diesem Zusammenhang
von typischem Verhalten sprechen«, fuhr Herr Nadel fort. »Wohinge-
gen du ein respektabler Bürger bist. Es sieht nicht gut aus, wenn re-
spektable Bürger in solche Dinge verwickelt werden. Dadurch kommen
sie ins Gerede.«
Herr Schräg räusperte sich. »Um… Missverständnissen vorzubeugen,
gebe ich dir einen Wechsel über…«
»Edelsteine«, sagte Herr Nadel.
»Wir mögen Edelsteine«, fügte Herr Tulpe hinzu.
»Habt ihr… Kopien davon angefertigt?«, fragte Herr Schräg.
»Darauf gebe ich keine Antwort«, sagte Herr Nadel, der keine Kopien
angefertigt hatte und auch gar nicht wusste, ob und wie sich so etwas
bewerkstelligen ließ. Aber er glaubte, dass Herr Schräg angesichts der
besonderen Situation vorsichtig sein musste, und der Anwalt schien
diesen Standpunkt zu teilen.
»Ich frage mich, ob ich dir trauen kann«, sagte Herr Schräg wie zu
sich selbst.
»Weißt du, die Sache sieht folgendermaßen aus«, erwiderte Herr Na-
del so geduldig wie möglich. Seine Kopfschmerzen wurden immer
schlimmer. »Es wäre nicht besonders gut, wenn sich herumspräche,
dass wir einen Klienten verpfiffen haben. Man würde sagen: Solchen
Leuten kann man nicht trauen. Sie wissen nicht, was sich gehört. Aber
wenn die Leute, mit denen wir Umgang pflegen, davon hören, dass wir einen Klienten umgelegt haben, weil er nicht fair war… Dann werden
sie sagen: Das sind Geschäftsleute. Sie sind tüchtig. Sie nehmen ihre
Geschäfte ernst…«
Er unterbrach sich und sah zu den Schatten in den Ecken des Zim-
mers.
»Und?«, fragte Herr Schräg.
»Und… und… ach, lassen wir diesen Kram«, sagte Herr Nadel und
blinzelte. »Gib uns die Edelsteine, Schräg, oder ich überlasse dich Tul-
pe. Wir verlassen diese elende Stadt mit den Zwergen, Vampiren, Trol-
len und umherlaufenden Toten. Ankh-Morpork wird mir immer un-
heimlicher! Also her mit den verdammten Diamanten! Jetzt sofort!«
»Na schön«, sagte Herr Schräg. »Und der Kobold?«
»Er begleitet uns. Wenn wir gefasst werden, erwischt es auch ihn.
Wenn wir auf geheimnisvolle Weise ums Leben kommen… dann wer-
den gewisse Dinge bekannt. Wenn wir in Sicherheit sind… Du bist
wohl kaum in der Situation, irgendwelche Forderungen zu stel en,
Schräg.« Herr Nadel erschauderte. »Ich fühle mich heute nicht beson-
ders wohl!«
Herr Schräg zog eine Schublade auf und legte drei kleine Samtbeutel
auf den Schreibtisch. Herr Nadel wischte sich mit einem Taschentuch
die Stirn ab.
»Sieh sie dir an, Herr Tulpe.«
Es wurde still, als beide Männer beobachteten, wie Herr Tulpe die
Edelsteine auf eine riesenhafte Hand rol en ließ. Er betrachtete mehrere
davon durch eine Lupe. Er beschnupperte sie. Vorsichtig beleckte er
den einen oder anderen.
Dann nahm er vier Steine und warf sie dem Anwalt zu.
»Hältst du mich für einen …ten Idioten?«, fragte er.
»Denk nicht einmal daran, irgendetwas abzustreiten«, sagte Herr Na-
del.
»Vielleicht ist dem Juwelier ein Fehler unterlaufen«, spekulierte Herr
Schräg.
»Ach, tatsächlich?« Herr Nadel griff erneut in die Jackentasche, und
als seine Hand diesmal wieder zum Vorschein kam, hielt sie eine Waffe.
Herr Schräg blickte in die Mündung eines federbetriebenen Gfährs.
In technischer und rechtlicher Hinsicht handelte es sich um eine Arm-
brust, denn menschliche Kraft war notwendig, um die Feder zu span-
nen. Aber geduldige Technik hatte die Waffe so
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