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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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stolzer
Haltung und beschwingten Schritten. Sie ging nicht, sie schwebte. Mit Sir
William hinter sich und dem großen Auto vor der Tür glaubte sie es sogar mit
der „Dame mit dem Ekel“ aufnehmen zu können.
    Aber ihr Triumph war nur von kurzer Dauer.
Sie schwebte keine drei Schritte lang — beim vierten stockte sie bereits. Denn
der erste Mensch, den sie erblickte, an einem Tisch unmittelbar neben dem
Durchgang, war Mr. Rickaby.
    Selbst in diesem peinlichen Augenblick
war Julias erster Gedanke völlig selbstlos. Sie freute sich aufrichtig, zu
sehen, daß er sich getröstet hatte. Denn Mr. Rickaby war nicht allein, sondern
in Begleitung einer hübschen Blondine mit einem freundlichen Gesicht; gerade
das richtige für ihn, dachte Julia, wie auch Mr. Rickaby sehr gut zu seiner
Begleiterin paßte. Als ihr dieser Gedanke durch den Kopf ging, sah Mr. Rickaby
plötzlich auf.
    „Da ist jemand, der Sie zu kennen
scheint“, bemerkte Sir William.
    Julia wandte den Kopf, um es
abzuleugnen, und gewahrte, daß er woanders hinsah. An einem Tisch rechts von
ihnen saßen die beiden Misses Marlowe.
    Es blieb ihr nichts übrig, als zu
lächeln und wiederzunicken, und das tat Julia mit bewundernswerter Sicherheit.
Da die Damen ziemlich weit entfernt von ihnen saßen, fühlte sie sich keineswegs
gefährdet. Es machte ihr sogar Spaß, in Begleitung der vornehmen Erscheinung
Sir Williams gesehen zu werden. Folglich lächelte und nickte Julia so
verbindlich und höflich wie eine echte Packett.
    Es erwies sich jedoch als unvermeidlich
— was Julia nicht vorausgesehen hatte —, direkt an ihrem Tisch vorbeizugehen,
der dienernde Geschäftsführer ließ ihr keine andere Wahl. Die beiden Misses
Marlowe lächelten wieder; die ältere, die von dieser neuen Bekanntschaft so
besonders angetan war, streckte sogar mit einer freundschaftlichen und
aufhaltenden Geste ihre Hand aus.
    „Treffen wir uns doch noch wieder!“
rief sie herzlich. „Haben Sie Ihre Kinder an Ort und Stelle vorgefunden?“
    Julia konnte in ihrem Kreuz deutlich
spüren — — als ob sich dort bei ihr ein neues Nervenzentrum entwickelt hätte —,
wie Sir Williams erstaunt aufhorchte.
    „Ja, gewiß“, murmelte sie, „natürlich...
ich danke Ihnen noch vielmals!“
    „Vielleicht treffen wir uns einmal in
Aix“, schlug Miß Marlowe vor. „Dann müssen Sie uns aber die Kinder zeigen.“
Während sie sprach, musterten ihre scharfen, alten Augen eingehend Sir Williams
hohe Gestalt. Sie hielt ihn offensichtlich für Julias Gatten und wartete ebenso
augenscheinlich darauf, daß er ihr vorgestellt wurde. Julia schritt jedoch nach
einem neuerlichen, unzusammenhängenden Gestammel eiligst weiter und fand sich
kurz darauf an dem Tisch, den man ihnen anwies, Sir Williams gelassen
dreinschauendem, aber forschendem Blick gegenüber.
    „Bitte, bestellen Sie das Essen“, sagte
sie. „Ich erzähle Ihnen gleich — ich muß nur erst etwas trinken.“
    „Lassen Sie es nur, wenn es Ihnen
unangenehm ist“, sagte Sir William rücksichtsvoll.
    Aber Julia fühlte sich dazu
verpflichtet, ihn aufzuklären. Es war ihr unmöglich, ihm eine ganze Stunde und
vielleicht noch länger gegenüberzusitzen mit dem bedrohlichen Gespenst einer
erdichteten Kinderschar zwischen sich. Als das Essen bestellt war und sie ihre
Apéritifs getrunken hatten, wagte sie den entscheidenden Schritt.
    „Das —“ sagte Julia — und das Wagnis
erschien ihr nun nicht mehr so groß — „sind zwei Damen, die in Aix leben.“
    „Ihre Bekannten sind sehr sympathisch,
finde ich“, warf Sir William ein.
    „Ja, nicht wahr?“ stimmte Julia zu,
dankbar und trotz ihrer augenblicklichen Verwirrung froh darüber, daß sie ihm
ein anerkennendes Wort entlockt hatte. Es war schon eine verrückte Situation,
wenn sie sich’s recht überlegte; und Julia überlegte so lange, daß Sir William
ihr auf die Sprünge helfen mußte.
    „Es kam mir so vor, als hätten sich die
beiden Damen auch für meine Person interessiert —“
    „Ja, das taten sie“, unterbrach Julia. „Das
ist es ja gerade.“ Sie holte tief Atem. „Ich glaube, sie haben Sie für den
Vater meiner drei Kinder gehalten, Elisabeth, Ronald und — ich habe den Namen
von dem anderen vergessen...“
    Zu ihrer großen Überraschung und nicht
weniger großen Erleichterung lehnte Sir William nach einem Augenblick
verblüfften Schweigens den Kopf zurück und lachte, lachte, bis man ihnen die
Pasteten servierte.
    Von da ab unterhielten sie sich
glänzend. Julia

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