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Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition)

Titel: Die Vorzüge der Dunkelheit: Neunundzwanzig Versuche die Welt zu verschlingen. Horrorroman. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ror Wolf
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der Wand in diesem Appartement in dem ich wohne, und schon umgibt mich ein Glänzen und Strahlen. Nichts gleicht meinem Glück, mein Komfort ist außergewöhnlich, mein Zimmer ist ausgestattet mit prächtigen Polstern, künstlichen Schwellungen und tiefen Teppichen. Die Dienerschaft erscheint auf mein Zeichen mit zarten Verbeugungen, die Spiegel glänzen, ich sehe mich in ihnen Gläser heben und austrinken, es geht mir, wie ich sehen kann, nicht schlecht, ich sehe in den Spiegeln, wie um mich herum die Damen ihre Kleider ablegen, sie umgeben mich in solchen Mengen, daß ich mich kaum noch bewegen kann. Ihre Berührungen sind von einer außerordentlichen Direktheit, sie knöpfen und ziehen und ich sehe im Spiegel das große Vergnügen, das ich dabei empfinde. Aber plötzlich werden die Zeiten düsterer, wie ich im Spiegel sehe, mein Untergang ist nicht aufzuhalten, und mein am Anfang tadellos sitzender Anzug wird ein Opfer der Umstände, die sich rapide verschlechtern. Die Verhältnisse, in deren Schatten ich davongehe, gebeugt, wie mir scheint, zumindest im Spiegel, haben sich plötzlich verändert. Ich trage mich mit dem Gedanken, die Stadt zu verlassen und eine andere Wohnung zu beziehen, ohne Spiegel. Dennoch finde ich, daß ich alles ein wenig zu dunkel sehe, zumindest versuche ich die Rolle, die ich in diesem Kapitel spiele, zu Ende zu spielen. Kurzum, als ich gehe, rufe ich in den Spiegel hinein: Nichts weiß man von mir. Nichts. –
    Damals lebte ich ganz zurückgezogen in Buchs. Ich hatte keine Sorgen. Ich lag, und wenn ich nicht lag, stand ich auf und legte mich hin. So vergingen die Tage. Ich schlief ein und ich wachte auf, in dieser Reihenfolge. Ich schlief ein, wachte auf und schlief ein. Plötzlich wachte ich auf. Ich sah mir das Zimmer an, in dem ich aufwachte. Ich wußte nicht, wie ich in dieses Zimmer gekommen war, und ich wollte es auch nicht wissen. Ich lag, als ich aufwachte, auf einer ganz dünnen harten durchnäßten Matratze. Und als ich mich aufrichtete, sah ich eine Zigarrenspitze, die aus einem Mund herausragte. Das war mein Mund, aber nicht meine Zigarrenspitze. Ich stand auf und zog meinen Mantel an. Das Mondlicht veränderte mich so, daß selbst die alten Bekannten mich für einen Fremden hielten, für eine bleiche nächtliche Erscheinung. Ich amüsierte mich wie gewöhnlich. So ist also die Sache, sagte ich und lachte über meine Worte.

    Plötzlich hörte ich, daß jemand hinter meinem Rücken zu atmen begann, plötzlich schrie jemand eine ganze Weile, und als ich mich umdrehte, sah ich eine nahezu unbekleidete Frau neben dem Kleiderschrank stehen, sie trug auf dem Kopf etwas ungeheuer Obszönes, etwas riesig Vaginales, eine Art Hut, feucht und rötlich schimmernd, aufgeklappt oder aufgeschlitzt, etwas in der Form einer aufgeplatzten Pflanze, mit etwas klitorisartig Herunterhängendem, etwas rötlich vom Kopf Fließendem. Sie schrie, und ich weiß nicht genau, was und warum sie schrie. Ich genoß das frischgeschnittene Gefühl von Haaren und den Duft weiblicher Wäsche.
    Vielleicht komme ich gelegentlich auf dieses Thema zurück, auf dieses Zimmer und auf diese Zeit. Man hat damals auf mich geschossen, aber getroffen hat man mich nicht. Man hat auch versucht, mich mit giftigen Getränken zu beseitigen, beispielsweise erinnere ich mich an ein Glas, das mir eine entkleidete Dame überreichte, nachts, eine unbekannte entkleidete Dame. Ich aber lachte nur und schluckte und ließ mir nichts anmerken, hier, in diesem kahlen geschwärzten wie ausgebrannten Zimmer, mit den schiefhängenden Jalousien, mit den zerschossenen Fenstern, den Einschußlöchern in den Wänden, in diesem Geruch nach ausgelaufenem Blut, nach Gärung, nach Tod und Verwesung. – Und wenn es erlaubt ist, an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung hinzuzufügen, dann dies: Eine Weile hielt ich mich für jemand, der ich nicht war. Dann begann ich, meine Erlebnisse aufzuschreiben. Ich fand einen Bleistift und schrieb auf Papier, das ich im Schreibtisch gefunden hatte. Plötzlich wurde es dunkel. Ich möchte nicht ausschließen, schrieb ich, daß ich eines Tages verschwinde, und keiner wird wissen, wohin ich gegangen bin.

10



P lötzlich ging ich hinaus und begann ein neues Kapitel. Ich drückte das Licht aus und ging leicht und leise davon, in den lichtlosen Hausflur hinein. Es war ein kurzer unheimlicher Augenblick. Und kurz nach diesem unheimlichen Augenblick betrat ich die Straße, die überhaupt nicht für dieses

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