Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
der Gedanke in ihnen zu erwachen, dass die Mönche die Vertreter der katholischen Kirche waren und dass es die Aufgabe der einfachen Menschen war, das nötige Opfer zu bringen – umso mehr, wenn die Kirche auch noch der Grundherr war. Rauchfleisch und Brot wurden angeboten. Jemand bedeutete dem Hausherrn, wer der Abt war, und der Pächter kroch förmlich auf den Knien heran und drängte Wolfgang einen Krug Bier auf, von dem er zuerst mit aller Ehrerbietung eine dicke Schicht schaumig fermentierten Überstands abschöpfte. Das Bier schmeckte ebenso scheußlich wie die Resultate der zögerlichen Brauversuche, die Wolfgang auf Iona begonnen hatte, doch es machte ihm klar, dass dies die Wirklichkeit war: Kein Albtraum konnte einen derartigen Geschmack hervorbringen.
Zwei Klosterknechte wurden zum Pfarrer von Ruppersdorf gesandt, der für die Bewohner von Heinzendorf zuständig war. Wolfgang war erleichtert, als der Mann eintraf und sich vor Entsetzen über die Entwicklung der Dinge erst einmal setzen musste. Seine ehrliche Überraschung zeigte dem Abt, dass der Aufstand sich auf Braunau beschränkte und keineswegs eine Jagd auf alle Katholiken in unmittelbarer Nähe der Stadt begonnen hatte. Doch dies war nur der Stand von heute; morgen schon mochte es anders aussehen. Mit seinem langsam wieder an der Wirklichkeit teilnehmenden Geist erkannte Wolfgang, dass es nicht unwahrscheinlich war, dass die Braunauer ihn und seine Schar verfolgen würden, sobald sie ihren Rachedurst an den Steinen des Klosters gestillt hatten. Als die beamteten Brüder sich vorsichtig dem Platz vor der Feuerstelle näherten, wo Wolfgang auf dem einzigen Stuhl des Hauses hockte, winkte er sie heran und bedeutete auch dem Pfarrer von Ruppersdorf herzukommen.
»Wir können hier nicht bleiben«, sagte er. Er war erschrocken, wie papieren seine Stimme klang. »Wir müssen damit rechnen, dass sie Jagd auf uns machen.«
»Heilige Jungfrau, Mutter Gottes, das ist das Ende der Welt«, stöhnte der Pfarrer.
»Es ist bereits dunkel, ehrwürdiger Vater. Wir können heute nicht mehr weiter«, sagte der Cellerar.
»Nein. Aber das spielt auch keine Rolle. Für heute sind wir hier sicher. Wenn die Jagd beginnt, dann morgen.«
»Und dann?«
»Wir haben einen Tag Vorsprung«, sagte der Torhüter stramm, in dem der Ernst der Lage neue Seiten geweckt zu haben schien.
»Einen halben Tag, gemessen an der Geschwindigkeit von Reitern. Wenn sie uns kriegen wollen, werden sie uns nicht zu Fuß nachlaufen.«
»Heilige Maria, Mutter Gottes!«
Abt Wolfgang wandte sich irritiert an den Ruppersdorfer Pfarrer. »Ist Baron Hertwig noch immer Herr von Starkstadt?«
Der Pfarrer nickte. »Er ist alt, aber er hält sich«, stotterte er.
»Das Geschlecht der ehušický war immer treu katholisch«, murmelte der Kellermeister.
Wolfgang nickte. »Und Starkstadt ist ein befestigter Ort, sogar mit eigener Gerichtsbarkeit. Man ist dem Kloster von Braunau dort nichts schuldig, aber es gibt auch keinerlei Konkurrenz. Baron Hertwig wird uns fürs Erste Obdach gewähren, und gemeinsam mit ihm können wir planen, wie wir nach Braunau zurückkehren können.«
»Der Kardinal wird uns helfen«, sagte der Torhüter. »Wir haben eine Brieftaube losgeschickt, bevor wir heute Morgen das Kloster verließen. Es waren noch welche von ihm im Schlag, und …«
»Kardinal Khlesl?«, fragte Wolfgang.
Die anderen Mönche wechselten Blicke. Zuerst war Wolfgangs Fassungslosigkeit so groß, dass sie kein anderes Gefühlzuließ. Sie setzten ihre Hoffnung in den Kardinal, obwohl sie wussten, dass zwischen ihm und ihrem Abt Feindschaft herrschte? Er ließ den Blick von einem zum anderen springen; sie senkten die Köpfe. Nur der Pfarrer von Ruppersdorf und der Hausherr schlugen die Augen nicht nieder. Kein Wunder – sie wussten nicht, worum es ging. Im Gesicht des Hausherrn konnte er den blinden Glauben lesen, dass Gott der Herr alles richten würde, nun umso mehr, da sein Haus vom Besuch der Mönche gesegnet war und daher unter dem Schutz Gottes stand. Sein Glaube war auch nicht durch die Tatsache zu erschüttern, dass jeder die Geschichten von Überfällen auf Klöster kannte, ob die Angreifer nun Türken, ein feindliches christliches Heer oder eine Räuberbande waren, von Überfällen, nach denen die Mönche und ihre weltlichen Diener Seite an Seite abgeschlachtet dalagen. In ihrem Fall hatte Gott der Herr nichts gerichtet. Und Gott der Herr ließ es auch zu, dass das Gift der
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