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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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protestantischen Ketzerei über das Land schwappte. Wie konnten sie dennoch glauben? Er wusste es nicht, er ahnte nur, dass sie selbst dann noch glauben würden, wenn ein protestantischer Mob in ihrem Dorf auftauchte und es verwüstete. Was brachte sie dazu? Er spürte dem Loch in seiner Mitte nach, das sich dort aufgetan hatte, wo er bisher selbst die Kraft für diesen Glauben verspürt hatte. Der Mensch war nichts ohne diese Kraft, die Gott in ihn senkte, und ihm, Wolfgang, hatte er sie entzogen. Ihm wurde klar, dass er versäumt hatte, seine Zweifel zu verbergen. Die Mönche begannen, das Vertrauen in ihn zu verlieren. Er hatte immer sein Bestes gegeben, hier wie anderswo. Warum hatte es hier nicht genügt? Wäre nur der Kardinal nicht gewesen und das verteufelte Buch, das ihm so wichtig war! Es hatte Wolfgang beschmutzt. Vielleicht hatte es das ganze Land beschmutzt, denn wer sonst als der Teufel konnte Nutzen ziehen aus der Ketzerei und dem Zerfall des Glaubens? Gott hatte sich abgewandt, von den Menschen und von ihremLand und vor allem von Abt Wolfgang, dem gescheiterten Hirten.
    »Kardinal Khlesl?«, wiederholte Wolfgang. Seine Stimme war laut.
    Der Kellermeister legte ihm die Hand auf die Schulter. Wolfgang schüttelte sie ab.
    »Du warst im Gebet versunken, ehrwürdiger Vater«, erklärte der Kellermeister diplomatisch. »Wir konnten dich nicht um Rat fragen. Wenn wir die Taube nicht losgeschickt hätten, gäbe es keinerlei Nachricht an die Außenwelt über unser Schicksal.«
    »Können wir den Klosterschatz nicht einstweilen zurücklassen?«, fragte der Torhüter. »Ohne die Last kämen wir schneller voran. Und unser Bruder hier könnte ihn in seiner Kirche in Ruppersdorf …«
    »Heilige Jungfrau, ich kann die Verantwortung nicht übernehmen!«
    »Dann hör auf, ständig den Namen der Himmelskönigin zu missbrauchen!«, schnappte der Abt. Der Pfarrer von Ruppersdorf fuhr erschrocken zurück. »Kommt nicht in Frage. Was wir gerettet haben, ist das Herz unserer Gemeinschaft. Wir lassen es nicht zurück.«
    Der Kellermeister brachte seinen Mund ganz nahe an das Ohr Wolfgangs.
    »Und das Buch?«, hauchte er. »Es ist die schlimmste Bürde von allen …«
    Wolfgang schwieg. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er den Codex hier und jetzt ins Feuer geworfen. Einen Augenblick lang schien der Gedanke geradezu unwiderstehlich. Vielleicht war es genau das, was seine Mönche erwarteten – eine Entscheidung, die den ganzen Gang der Dinge veränderte. Doch dann kroch der Stolz in ihm hoch. Man hatte ihm die Verantwortung über den Codex gegeben, und er würde ihr gerecht werden, mochte sein Hass auf KardinalKhlesl und alles, was damit zusammenhing, auch noch so groß sein. Er starrte die Truhe an, die scheinbar harmlos abseits in einer Ecke der Pächterhütte stand. Er schüttelte den Kopf.
    Am zweiten Tag hatte der Ernst der Situation den Abt endgültig und mit Wucht eingeholt. Um Zeit zu sparen, folgten sie der schmalen Straße nach Starkstadt, die über die Kuppe zwischen Friedstock und Kirchberg führte, zwei Hügelrücken, die einem im Sommer Reisenden kaum als Erhebungen aufgefallen wären, aber für eine Schar schwer beladener Mönche im Winter eine Strapaze darstellten. Der längere, reguläre Weg über Adersbach wäre weniger schwierig gewesen, aber er hätte nicht nur Zeit gekostet, sondern sie auch durch die Felsenstädte geführt, und diesem finsteren Irrweg durch die Steingiganten wollte Wolfgang die Gemeinschaft nicht aussetzen. Zudem hätte er sie höchstens die Domäne Wekelsdorf erreichen lassen, nicht mehr als ein Marktplatz für die weitere Umgebung, der aus ein paar Scheunen und der hölzernen Burg der Familie von Schmieden bestand und nicht einmal von seinem Herrn öfter als einmal im Jahr besucht wurde. Eigentliche Sicherheit bot ihnen nur das trutzige, treu katholische Starkstadt.
    Der Wind trieb ihnen den Schnee von der Seite in die Augen und vor die Füße, und während des Abstiegs auf der windzugewandten Seite der Hügel mussten sie mehrfach haltmachen und Klosterknechte aussenden, um den weiteren Verlauf der Straße zu erkunden. Der Himmel zog mit bleigrauen Wolken über sie hinweg, das Land wechselte zwischen dem Grau der Nadelwälder und dem hier und da vom Wind blank gefegten, knochenfarbenen Lehmboden ab oder verschwamm im Weiß des Schnees. Dies war die Via Dolorosa , die zu beschreiten die Impertinenz der Braunauer die Mönche zwang! Jesus Christus hatte die Sünden der Welt auf

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