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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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nichts mehr zu tun zu haben.
    Wäre Filippo ein Einwohner Prags gewesen, hätte er gewusst, warum ausgerechnet um die Burg herum die protestantischen Gefühle derart kochten: Zum einen hielten sich die Vertreter der ausschließlich katholischen Regierung dort auf, zum anderen aber erhob sich der Burghügel direkt über der Kleinseite, und die Einwohner dieses Teils von Prag hatten noch immer nicht vergessen, dass man sie seinerzeit den Passauer Kriegsknechten tagelang zum Fraß vorgeworfen hatte. Jemand wie Filippo Caffarelli wäre, hätte er dies gewusst, sicher darauf aufmerksam geworden, dass auch die protestantischen Ständetruppen damals keinerlei Anstalten gemacht hatten, die Kleinseite vom Mob der marodierenden Landsknechte zu befreien, sondern nur die reiche Altstadt geschützt hatten. Aber jemand wie Filippo neigte auch nicht dazu, inden Gassen auf und ab zu springen, mit den Fäusten Löcher in die Luft zu stoßen und »Die Krätze für den Papst!« zu brüllen, statt darüber nachzudenken, was er tat.
    Im Augenblick dachte er darüber nach, ob der Mob, der sich in der Gasse vor dem Palast des Reichskanzlers zusammengerottet hatte, ihm helfen würde, endlich Einlass zu erhalten. Bei seinen vorherigen Versuchen war er stets mit dem Hinweis abgewiesen worden, der Reichskanzler befinde sich auf der Reise nach Wien und seine Gattin sei ebenfalls nicht zu Hause.
    Er trat aus dem Schatten des Eingangsportals eines Hauses weiter oben, aus dem heraus er die Lage sondiert hatte, und schritt auf den Lobkowicz’schen Palast zu, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, wenn ein durch seine abgerissene Soutane deutlich als katholischer Kleriker kenntlicher Mensch auf eine protestantische Meute zuschlenderte. Der Filippo Caffarelli in den Gassen Prags war nicht mehr der Mann, der in Rom aufgebrochen war; oder besser gesagt, auf seiner langen Reise war mehr von dem Mann zum Vorschein gekommen, der eigentlich in seinem Inneren steckte, und der Narr, zu dem sein Vater und sein älterer Bruder ihn gemacht hatten, war vom Reisestaub abgerieben worden.
    »Seht euch den an!«
    »Das ist ja wohl die Höhe!«
    »Dreist wie ein Zwingvogt!«
    »He, du bist gemeint! Dreh dich gefälligst um, wenn man mit dir spricht!«
    Filippo ballte eine Faust und hämmerte damit gegen die Eingangspforte des Palastes. Dann wandte er sich um und musterte die Meute, die näher gerückt war. Er nickte den Männern würdevoll zu. Der Vormarsch der Meute geriet dadurch ins Stocken.
    »Ihr seid vielleicht ein armseliges Pack«, sagte Filippo auf Latein. Er hatte nicht alles verstanden, was man ihm zugerufen hatte, aber um den Inhalt der Botschaft zu erkennen, brauchte man keine Leuchte zu sein.
    Sie riefen ihm weiterhin Schmähungen zu. Filippo hob die Hand – er zögerte einen Augenblick, die heilige Geste zu einer Provokation zu missbrauchen, dann fiel ihm ein, dass er ein abtrünniger Priester war und dass er nicht viel mehr Sünden auf sich laden konnte – und segnete den Haufen. Die Empörung schlug hohe Wellen. Einer bückte sich nach einem Wurfgeschoss und fand eines. Der Stein prallte harmlos gegen die Hausmauer, weit von Filippos Kopf entfernt.
    »Zielen könnt ihr auch nicht!«, rief Filippo, weiterhin auf Latein und mit einem Gesichtsausdruck, als hätte er gerade »Danke, mir geht’s auch gut!« gesagt.
    Die Tür öffnete sich, und Filippo sah einen Lakaien, der ihm bisher noch nicht begegnet war. Der Mann war grün im Gesicht und schielte ängstlich zu dem Haufen Krakeeler hinüber. Diese fühlten sich durch sein Erscheinen zu einer Reihe von Vergleichen hingerissen, in denen die Vorfahren des Lakaien mit diversen Tieren in eine Reihe gestellt wurden und die Tiere dabei gut wegkamen. Filippo sah große Schweißperlen auf der Stirn des Mannes wachsen.
    »Das ist das größte Schlangennest von ganz Prag!«
    »Der Reichskanzler frisst dem Papst aus der Hand!«
    »Nein, er leckt ihm die Füße ab!«
    »He, Lakai! Gehört die Hütte deiner Herrschaft eigentlich schon zum Vatikan?«
    »Ich möchte zu Reichskanzler Lobkowicz, bitte«, sagte Filippo in dem holprigen Böhmisch, das er sich erarbeitet hatte.
    »Kommen Sie herein, Hochwürden, kommen Sie bloß herein«, murmelte der Mann und zog ihn am Ärmel hinter das Portal. »Das sind Mörder!« Der Rest ging in Filippos brüchigen Sprachkenntnissen unter. Durch den Erfolg seiner kleinen Finte angeregt, bedauerte Filippo einen Augenblick lang,der Horde nicht noch die Faust gezeigt zu

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