Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
schwitzend und keuchend nebeneinanderlagen, träge und entspannt und gleichzeitig auf einer höheren Ebene schwebend, und es für diese kostbaren Augenblicke keinerleiGeheimnisse gab und keinen Dissens und die Welt ganz ohne Menschen zu sein schien – außer ihnen beiden.
»Komm heil wieder zurück.«
Cyprian hatte das geantwortet, was er stets antwortete: »Keine Sorge, ich kehre immer wieder zu dir zurück.«
Wohin würde er zurückkehren, wenn sie in ein paar Tagen in Prag einträfen? Würde wieder ein Haus brennen, nur dass diesmal kein Cyprian Khlesl zur Stelle war, um die Bewohner zu retten? Würden die Trümmer diesmal das begraben, was er am meisten liebte? Cyprian hatte im Grunde genommen nie verstanden, wie Andrej es geschafft hatte, nach dem Verlust seiner Geliebten weiterzumachen. Er ahnte, dass ihm dieses Kunststück nicht gelingen würde.
Cyprian sah auf, als habe eine unhörbare Botschaft seine Ohren erreicht, und sah Andrej und seinen Begleiter im Galopp um die Kurve preschen, die die Straße beschrieb.
»Bringt die Teufelsbibel wirklich das Verhängnis über uns?«, fragte der Kellermeister. Cyprian wehrte ihn mit einer Handbewegung ab. Was hatte Andrej gerufen? Er riss am Zügel, um den heranstürmenden Männern entgegenzureiten, und das Pferd machte einen Satz vorwärts.
Er sah die beiden Bilder fast gleichzeitig: den Kellermeister, der auf einmal in der Luft hing, als habe ihn ein gewaltiger Stoß von den Beinen geholt, frei schwebend in einer Wolke aus Staub, Blut und Gewebefetzen, die ihn einhüllte, und, als er den Kopf herumriss, den Soldaten an Andrejs Seite, der sich im Sattel aufbäumte. Die Bilder froren ein. Er hörte das Peitschen des ersten Schusses wie ein lang gezogenes Donnern, das endlos in seinem Hirn widerhallte. Der Kellermeister hatte die Augen aufgerissen, als könne er noch gar nicht fassen, was ihm widerfahren war. Cyprian wusste, dass der Schuss ihn getroffen hätte, wenn das Pferd nicht losgeprescht wäre. Der Kellermeister drehte sich langsam in der rosigen Wolke, in der sein Leben explodierte. Der Reitervorne wurde immer größer, als wolle er ein Reiterkunststück zeigen.
Dann erreichte der Knall des zweiten Schusses Cyprian, und das Geschehen gewann seine normale Geschwindigkeit zurück. Der Kellermeister schlug schwer in den Schnee und blieb unter der Truhe liegen. Der Reiter neben Andrej stürzte aus dem Sattel und rollte über den Boden wie ein Bündel Kleider. Die Mönche schrien auf. Cyprians Pferd drehte sich einmal um sich selbst. Schnee spritzte in der Nähe des Abtes auf, und mit der üblichen Verzögerung erklang der Knall des dritten Schusses. Die Mönche liefen auf der Straße zurück, ein kompakter, von Panik überwältigter Haufen, nicht anders als eine Schafherde. Selbst die Soldaten aus Kardinal Melchiors Leibwache waren wie erstarrt und gafften das reiterlose Pferd ihres Kameraden an, das hakenschlagend neben Andrej herrannte.
»Auseinander!«, brüllte Andrej. »Auseinander! Einzeln können sie uns nur schwer treffen!«
Er stürmte an Cyprian vorbei an den Mönchen entlang, und die Ersten lösten sich aus der Menge und rannten einzeln in irgendwelche Richtungen. Im Haufen grauer Kutten verschwand blitzartig ein Kopf, ein Körper sackte zusammen, und die Mönche fielen übereinander. Cyprian hörte den vierten Knall bereits nicht mehr. Er zerrte am Zügel und zwang seinen Gaul, den Abhang hinaufzugaloppieren, von dem herunter die Schüsse gefallen waren. Im selben Augenblick wurde eine Schar Reiter sichtbar, die aus dem Wald sprengte, in dem die Schützen steckten. Ihr Anführer war ein teuer gekleideter Mann mit langem dunklen Haar, der eine rauchende Muskete schwang.
Cyprian hörte, wie Andrej versuchte, die fünf verbliebenen Leibwächter zusammenzurufen. Er erinnerte sich daran, dass sie keinerlei Feuerwaffen mitgenommen hatten. Ihre Bewaffnung bestand lediglich aus drei Armbrüsten, einigen Messernund einer Pike. Er galoppierte auf die Männer los, als sei ihm ein Heer auf den Fersen. Die Angreifer zogen sich in einem weiten Bogen auseinander, ein klassisches Manöver, um sie in die Zange zu nehmen. Ihr Anführer stieß einen Schrei aus und lenkte sein Pferd in Cyprians Richtung. Es geriet auf dem glatten Abhang ins Stolpern.
Sie trafen zusammen wie Ritter in einem Turnier. Der langhaarige Mann schwang seine Muskete wie einen Knüppel, aber Cyprian duckte sich unter dem Schlag hindurch. Er streckte ein Bein aus, um seinen Gegner aus
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