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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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überrascht. Es lag nicht in seiner Natur, zu stark an sich zu zweifeln, und seine eigenen Gefühle machten ihn unsicher. Nicht einmal als er damals in Wien im Gefängnis gesessen und nicht hatte verhindern können, dass Agnes von ihren Eltern nach Prag mitgenommen wurde, hatte er sich so hilflos gefühlt – und so überzeugt davon, dass er das Falsche tat. Unvermittelt fühlte er ein so heftiges Bedauern darüber, sich in Prag von seiner Familie nur hastig verabschiedet zu haben, dass es ihn schmerzte. Es war, als fürchte er, sie nie wiederzusehen.
    »Wollen Sie mir davon erzählen?«, fragte eine Stimme neben ihm. Erstaunt sah er den Kellermeister des Klosters nebensich durch den Schnee stapfen. Unwillkürlich zog Cyprian das Pferd ein wenig zur Seite, so dass der Benediktiner den tiefen Stellen am Rand der Straße ausweichen konnte. Der Mönch deutete auf die Truhe. »Von der Teufelsbibel, meine ich. Sie sind doch Cyprian Khlesl, und Ihr Freund ist Andrej von Langenfels. Es gibt eine ganze Menge Geschichten über Sie beide.«
    »Bestimmt alle übertrieben«, sagte Cyprian, der sich vergeblich bemühte, sich auf den Benediktiner zu konzentrieren. »Andrej und ich waren immer nur Figuren in einem Spiel, das der Teufel und Gott gegeneinander gespielt haben.«
    »So wie Hiob?«, fragte der Kellermeister. Cyprian lief ein kalter Schauer den Rücken hinab. Wie Hiob … Gott hatte dem Mann alles genommen, und doch hatte er nie den Glauben verloren. Die Bemerkung des Kellermeisters schien derartig mit Vorahnungen aufgeladen zu sein, dass er die Zähne zusammenbeißen musste. So lange Zeit hatte er mit den Seinen in Frieden gelebt – kam nun die Zeit der Bezahlung? Jemand hatte die wahre Teufelsbibel an sich genommen, und dass bis jetzt noch keine Katastrophen geschehen waren, hieß nicht, dass sie nicht morgen schon eintreten konnten. Oder war der Hass zwischen Katholiken und Protestanten, der immer weiter auf einen großen Brand zusteuerte, bereits das Anzeichen dafür? Der Teufel hatte Zeit genug, langsam zu arbeiten. Die sechs Jahre seit dem Tod Kaiser Rudolfs und ihrer Entdeckung, dass die Mönche von Braunau die wertlose Kopie behüteten, waren nichts für ihn.
    »Nein«, sagte er. »Bei Hiob war es immer klar, dass Gott eigentlich auf seiner Seite war.«
    Der Kellermeister senkte betroffen den Blick. Plötzlich wusste Cyprian ganz genau, dass er einen mörderischen Fehler gemacht hatte. Er hätte diese Mission nicht antreten dürfen; er hätte Agnes und die Kinder nicht allein in Prag lassen dürfen. Es war ihm fast unmöglich, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. Er sah sich vor dem warmen Bett stehen, indem Agnes zusammengerollt lag. War das erst vor zwei Tagen gewesen? Er hatte das Gefühl, seit Wochen von seinen Lieben getrennt zu sein. Er hatte sich hinausgestohlen und angezogen und hatte dann das Schlafzimmer noch einmal betreten. Es war ihm so schwergefallen wie nie zuvor, sich zu trennen. Zuletzt hatte er sich doch umgedreht und wollte hinausschleichen, die Stiefel in der Hand, da war Agnes erwacht und hatte ihm leise nachgerufen. Er war bei der Tür stehen geblieben und hatte ihren Blick erwidert. Er erinnerte sich an das kurze Gespräch, das ihm inniger und zärtlicher vorgekommen war als der Liebesakt, dem der größte Teil der Nacht zum Opfer gefallen war.
    »Komm heil wieder zurück«, hatte Agnes gesagt.
    Er liebte sie. Es hatte stets nur sie gegeben. Es hatte stets nur seine Familie gegeben. Er liebte seinen Onkel Melchior Khlesl, er liebte Andrej, er liebte seine Kinder – doch die größte Kammer in seinem Herzen war immer nur für Agnes reserviert gewesen. Ihretwegen hatte er im Gefängnis gesessen, ihretwegen war er ins Feuer gerannt, ihretwegen hatte er versucht, fast ganz allein ein Kloster zu stürmen, das wie eine Festung war und in dem das Vermächtnis des Teufels und die Paranoia des Abtes eine fürchterliche Verbindung eingegangen waren. Er konnte sich nicht vorstellen, ohne sie zu leben. Er konnte sich nicht mehr vorstellen, dass es jemals eine Zeit gegeben hatte, in der er nicht neben ihr aufgewacht war und sie betrachtet hatte, bis sie die Augen aufschlug und ihm einen Kuss gab und dann mit der Hand unter seine Decke fuhr, um nachzusehen, ob seine Liebe für sie auch an diesem Morgen einen körperlichen Ausdruck fand. Nicht dass die Erinnerung an das Bett seinen Geist bestimmt hätte. Was sich ihm in der Rückschau hauptsächlich mitteilte, waren die Augenblicke, in denen sie

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