Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Ruine angekommen ist. Und nach Prag zurück ist es eine weite Strecke.«
»Wir haben die Soldaten als Verstärkung dabei.«
»Glaubst du, die anderen kommen allein?«
»Wer sind die anderen, Cyprian?«
»Wenn du es weißt, dann sag’s mir.«
Sie sahen sich an und zogen beide verdrossene Gesichter.
Die Mönche beendeten ihr Gespräch. Abt Wolfgang stand mit gesenktem Kopf da. Die drei ältesten Brüder betrachteten ihn mitleidig. Als der Kellermeister zu einer Bewegung ansetzte, wandte der Abt sich brüsk um, stapfte zu Cyprian und Andrej herüber und hielt Cyprian wortlos einen Schlüssel hin. Cyprian nahm ihn ebenso wortlos entgegen, marschierte zur Truhe hinüber, schloss die Ketten auf und klappte den Deckel hoch. Er starrte hinein. Nach einer Weile klappte er ihn wieder zu, legte die Ketten wieder vor und brachte dem Abt den Schlüssel zurück. Er fühlte den Blick Andrejs auf sich ruhen. Er nickte.
»Wie sollte es auch anders ein?«, seufzte Andrej.
»Wir geleiten Sie und Ihre Gemeinschaft nach Prag«, sagte Cyprian. »Es gibt nur einen sicheren Ort, den ich mir vorstellen kann, und der ist unter Kardinal Khlesls Obhut.«
10
Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz kroch vorsichtig aus seiner Deckung hinter schneeverklebten Baumstämmen und zog sich tiefer in den Wald zurück, der den Hügelzug säumte. Er warf noch einen letzten Blick über die Schulter auf die Gruppe aus Spielzeugfiguren unten neben der Straße und sah eine von ihnen, wie sie den Deckel einer Spielzeugtruhe wieder zuklappte. Er hätte selbst über einenoch größere Entfernung hinweg erkannt, dass die Spielzeugfigur Cyprian Khlesl war. Der Wald verhinderte einen weiteren Blick, und nach ein paar zusätzlichen Schritten war Heinrich inmitten des Dutzends schwer bewaffneter Männer, die er mitgebracht hatte. Er fühlte sich wund geritten, aber der Schmerz war nichts gegen das Pochen der Erregung, das er in sich spürte. Es war fast noch stärker als in der verlassenen Wunderkammer Kaiser Rudolfs, als er zu Alexandra von seiner geplanten Begegnung mit ihrem Vater gesprochen hatte. Er hatte jedes Wort bitterehrlich gemeint – dass er Cyprian Khlesl seine wahren Gefühle ihr gegenüber offenbaren würde und dass nach ihrem Treffen nichts mehr zwischen Alexandra und ihm selbst stehen würde. Die Zweideutigkeit war ihr nicht bewusst geworden.
»Khlesl weiß Bescheid«, sagte er. »Alle sind sich darüber im Klaren, was zu geschehen hat?«
Die Männer nickten.
»Khlesl gehört mir«, sagte Heinrich. »Wenn ich auf seinen Leichnam pisse, will ich, dass eine Kugel aus meiner Pistole in seinem Herzen steckt.«
Die Männer nickten erneut.
»Wenn sie die enge Stelle am Fluss erreicht haben, machen wir sie fertig.«
Die Männer nickten ein drittes Mal. Heinrich schwang sich auf sein Pferd, und sie ritten fast lautlos durch den Wald, unsichtbare, tödliche Begleiter des müden Zugs von Mönchen, der sich unten an der Straße ebenfalls in Marsch setzte. Wenn die Klosterbrüder glaubten, dass sie dem Verhängnis entronnen waren, dann würden sie sich bald getäuscht sehen. Cyprian Khlesl mit seinen Leuten mochte ihnen wie ein Schutzengel erschienen sein, aber der Schutzengel ritt in seinen eigenen Tod, und er würde etliche von ihnen dabei mitnehmen.
11
» Wie schätzt du die Situation ein?«, fragte Andrej.
Cyprian wies nach vorne. Der Einschnitt zwischen den Hügeln wurde enger. Zu ihrer Rechten gurgelte ein schmaler Fluss dahin: die Mettau, im Sommer nicht mehr als ein verträumter Wiesenfluss, jetzt, dank des Tauwindes, ein schnell dahinströmender Wildbach, der immer wieder über die Ufer schäumte und sumpfige Stellen aus Schneematsch schuf, um die herum sie einen weiten Bogen machen mussten.
»Wenn wir diese Stelle passiert haben, ist es nur noch ein Katzensprung bis nach Starkstadt.«
»Dann wären wir zumindest fürs Erste in Sicherheit.«
Cyprian nickte. Andrej schnalzte mit den Zügeln.
»Ich werde mal vorausreiten und die Lage peilen.« Er schlug im Vorbeireiten einem der berittenen Soldaten Melchior Khlesls auf die Schulter. Der Mann folgte Andrej, als dieser davongaloppierte. Cyprian hielt sich neben den Eseln mit ihrer Last und horchte in sich hinein. Er hatte das Summen der Teufelsbibel nie gespürt und spürte jetzt, in direkter Nähe zu ihrer harmlosen Kopie, erst recht nichts. Stattdessen fühlte er eine beklommene Furcht davor, zu versagen und diese Mission nicht zu Ende bringen zu können. Er war von sich selbst
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