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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Distanz hinweg sah Cyprian in seine Augen, die ihn über den Lauf seines Gewehres hinweg anblickten. Das schöne Gesicht des Mannes war von Hass verzerrt. Unzusammenhängend dachte Cyprian, dass Luzifer so ausgesehen haben musste, als Gott ihn aus dem Himmel verstieß. Cyprians Körper spannte sich, um sich aus dem Sattel zu werfen, aber er hatte keine Chance. Er sah den Funken, den das Radschloss produzierte, und die Rauchwolke, die aus der Mündung quoll. Die Kugel erreichte ihn zusammen mit dem Knall und hob ihn halb vom Rücken des Pferdes. Er fühlte seinen Leib taub werden. Der Hengst drehte sich grell wiehernd um sich selbst. Cyprian verlor die Zügel und griff nach der Mähne. Er sah die Szene einmal im wilden Tanz des Pferdes an sich vorbeihuschen: die übrigen Mönche, die in kleinen Gruppen flohen, verfolgt von einem oder zwei Reitern, dieEsel mit der Truhe, an der sich jetzt zwei Männer zu schaffen machten, die aufgerissenen Münder der Leibwächter, die gesehen hatten, wie er getroffen worden war. Dann machte das Pferd einen Sprung, raste auf den Fluss zu, geriet in die sumpfigen Stellen, brach vornüber, und Cyprian flog von seinem Rücken und in eine kalte Umarmung, die ihm den Atem nahm. Er rollte sich auf den Rücken und schrie vor Schmerz auf. Er kam auf die Knie und erkannte, dass er sich nicht weiter aufrichten konnte. Betroffen sah er, dass sich um ihn herum der Schneematsch rosig zu verfärben begann.
    Es war merkwürdig. Alles war auf einmal klar. Der Tod hatte nicht auf seine Familie gewartet, sondern auf ihn. So war es richtig. Wenn er sie dadurch schützen konnte, dass er in den Tod ging, dann war sein Leben kein Fehlschlag gewesen. Sein Blick schärfte sich, und er konnte bis zu dem Abhang hinüberblicken, auf dem Andrej stand, das Gewehr halb erhoben, in der Bewegung erstarrt, die Augen weit aufgerissen. Die Kälte begann, aus seinem Körper zu weichen. Der Fluss gurgelte keine zwei Schritt von ihm entfernt; beinahe hätte ihn das Pferd dort hinein abgeworfen. Er hatte Glück gehabt. Er hörte jemanden tief in seiner Seele resigniert lachen. Glück gehabt, tatsächlich. Das Geschrei der Mönche und das Gewieher der Pferde vorn auf der Straße schienen auf einmal nebensächlich zu sein.
    Das Schnauben eines Pferdes zwang ihn, den Blick zu heben. Der langhaarige Mann sah aus dem Sattel auf ihn herab. Langsam hob er seine Pistole und zielte. Ein paar Mannslängen entfernt spritzte eine Schnee- und Dreckfontäne auf. Der Mann achtete nicht auf sie. Cyprian wandte den Kopf – es bereitete ihm so viel Mühe, als müsse er einen Mühlstein bewegen – und sah Andrej den Abhang herunterlaufen, während er gleichzeitig versuchte, nachzuladen und auf den Beinen zu bleiben. Zu weit, dachte er und fühlte fast Enttäuschung für seinen Freund, zu weit … Er wandte den Blick wieder ab undsah in die drei Augen, die ihn anstarrten, die blauen des langhaarigen Mannes und das schwarze der Pistole.
    »Ich bin Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz«, sagte der Mann, und Kälte begann, in die Taubheit hineinzusickern, die Cyprian fühlte. »Ich habe deiner Tochter versprochen, dass hiernach nichts mehr zwischen ihr und mir stehen wird. Sie wird mir gehören, Khlesl, mir und meiner Göttin, aber das wirst du nicht mehr erleben. Doch tröste dich, du wirst bald mit ihr im Himmel vereint sein.«
    Cyprian versuchte, etwas zu sagen. Seine Stimme gurgelte. Das Entsetzen, das ihn erfüllte, war grenzenlos. Er hob eine Hand, als wolle er den Mann auf dem Pferd um Gnade bitten.
    »Du kommst doch in den Himmel, oder, Khlesl? Deine Tochter wird auch in den Himmel kommen, da habe ich keinen Zweifel. Wenn ich mit ihr fertig bin, wird es nichts im Fegefeuer oder in der Hölle geben, das noch schlimmer sein könnte als ihr Tod.«
    Heinrich von Wallenstein-Dobrowitz hob die Pistole.
    »Leb wohl, Cyprian Khlesl. Wie schade, dass es so einfach war.«
    12
    Agnes’ Auftauchen im Kontor der Firma »Wiegant, Khlesl & Langenfels« war gefürchtet, nicht weil sie sich dort als zickige Herrscherin gebärdet hätte, sondern wegen ihrer unheimlichen Fähigkeit, Fehler in den Buchungen zu finden. Es wäre noch auszuhalten gewesen, wäre sie sich dieser Fähigkeit bewusst gewesen und hätte mit dem Finger anklagend auf einen mangelhaften Eintrag gezeigt. Stattdessen lief ein Gespräch mit ihr (und einem in der Regel noch unerfahrenen, neuen Buchhalter) für gewöhnlich so ab:
    Agnes: »Warum steht hier eine höhere Zahl als dort

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