Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman
Gesicht, erschütterte die Zuversicht eines jeden Gesprächspartners und bot eine willkommene Fassade für seine eigenen Zweifel. Er fragte sich, ob Vittoria nicht auch bezüglich seiner eigenen Person mit dem Gedanken an Rattengift gespielt hätte, wenn sie heute hätte Zeugin werden können, was er tat. Filippo wusste, dass das, was er plante, nicht besser war als das Tagesgeschäft von Kardinal Scipione.
Er sah, wie das linke untere Lid des Obristen zu zucken begann.
»Es geht um Ihren Vater«, sagte Filippo schließlich.
»Mein Vater hat dem Heiligen Stuhl treu und redlich gedient«, schnarrte Oberst Segesser. Die Zuversicht der Schweizergardisten in ihre eigene Unfehlbarkeit war beneidenswert. Filippo musste zugeben, dass sie auch eine solide Basis hatte.
»Erzählen Sie mir vom Tod Giovanni Castagnas«, sagte Filippo. Als Oberst Segesser stumm blieb, fügte er an: »Papst Urbans VII.«
Der Oberst stand noch strammer. Filippo dachte nach. Gedrillte Soldaten wie Oberst Segesser waren schwierigere Gesprächspartner als die meisten; sie verstanden sich auf das Schweigen besser als jeder andere, weil sie ihre Körpersprache einsetzen konnten. Stumm strammzustehen konnte alles bedeuten, von Zustimmung bis zu einer ausgesuchten Beschimpfung, ohne dass das eine oder das andere jemals mündlich geäußert werden musste.
»Papst Urban kam aus dem Geheimarchiv und brach tot in den Armen Ihres Vaters zusammen«, sagte Filippo. »So steht es in dem Bericht, den Ihr Vater darüber abgeliefert hat.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, Hochwürden.«
»Ich habe den Bericht gefunden. Er muss versehentlich falsch archiviert worden sein. Sie waren damals der Hauptmann Ihres Vaters und haben den Bericht mit unterzeichnet.«
»Jawohl«, sagte Oberst Segesser, und man musste ihm lassen, dass seiner Stimme nicht das Geringste anzumerken war. Filippo, der innerlich schwitzte, überlegte jeden seiner nächsten Schritte wie ein Mann, der barfuß durch Glasscherben geht.
»Für jeden Schweizergardisten muss es schlimm sein, wenn der Heilige Vater stirbt.«
»Jawohl.«
»Am schlimmsten muss es für den Anführer der Garde sein, wenn der Heilige Vater direkt in seinen Armen stirbt.«
»Jawohl.«
»Unter Umständen, die äußerst merkwürdig waren …«
Filippo hätte es nicht für möglich gehalten, aber der Oberst konnte noch ein wenig strammer stehen. Sein Lid zuckte nun stärker. Er hatte beinahe Mitleid mit dem Mann, aber jemand, der durch die Schule des späteren Kardinals Caffarelli gegangen war, als dieser noch Scipione, die Hoffnung der Familie, gewesen war, wusste, dass Mitleid einen nicht ans Ziel brachte.
»Ich will sie sehen, Oberst Segesser«, sagte er.
»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, Hochwürden.«
»Papst Gregor, der Urban auf den Heiligen Stuhl nachfolgte, hat Ihrem Vater den Abschied gegeben. Wenn ich richtig informiert bin, hat Ihr Vater selbst darum nachgesucht. Natürlich kann man annehmen, dass Ihr Vater einfach zu erschüttert war, um seinen Dienst weiterhin versehen zu können. Es wäre eine von mehreren möglichen Erklärungen.«
Oberst Segesser sagte nichts.
»Machen Sie es uns beiden doch ein wenig einfacher, Oberst Segesser. Bevor Ihr Vater die Schweizergarde verließ, hat er auf eigene Faust nachgeforscht, was Papst Urban im Archiv gesucht hatte. Man könnte das selbstverständlich so auslegen, dass Ihr Vater in seiner Gewissenhaftigkeit herausfinden wollte, ob etwas dort für den Tod des Papstes verantwortlich war.«
»Jawohl.«
»Es kommt allerdings nicht darauf an, welcher Auslegung ich Glauben schenke«, fuhr Filippo fort. »Letztlich kommt es darauf an, was die Heilige Inquisition glaubt, wenn sie sich bemüßigt fühlt, den Tod Papst Urbans noch einmal zu untersuchen. Oder auf den Gedanken kommt, eine Verknüpfung zu der traurigen Tatsache herzustellen, dass Papst Urban so rasch zwei weitere Päpste in den Tod gefolgt sind.«
»Die Untersuchungen sind abgeschlossen«, sagte der Oberst.
»Die Untersuchungen wurden abgeschlossen, ohne dass das Tribunal von dem Geschnüffel Ihres Vaters im Archiv erfahren hat.«
»Mein Vater hat nicht geschnüffelt!«
Filippo betrachtete den Gardisten stumm. Der Oberst versuchte vergeblich, den Hass in seinen Blicken zu verbergen. Sein Gesicht war unbewegt, aber seine Augen brannten.
»Haben Sie als Kind einmal nach einem Schatz gesucht, Oberst Segesser?«
Der Oberst blinzelte verwirrt.
»Man glaubt gar nicht, wie schlecht manche
Weitere Kostenlose Bücher