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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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können wir sie vielleicht hinaustragen und unbemerkt in Sicherheit bringen.«
    Agnes schüttelte den Kopf. Ihr wurde heiß vor Liebe zu ihrer Tochter, dass diese nicht vorgeschlagen hatte, sich davonzustehlen, sondern die Schwangere zu retten. Aber fünf Schwangerschaften, von denen zwei durch eine Fehlgeburt beendet worden waren, hatten Agnes so weit zu einer Expertin gemacht, dass sie wusste, dass die junge Frau nicht transportiert werden durfte. Sie würden entweder ihr und dem Ungeborenen Schaden zufügen oder eine verfrühte Geburt auslösen – mitten in der Gasse, im Winter, während sich überall die Landsknechte herumtrieben auf der Suche nach neuen Gräueltaten.
    Agnes legte den Finger auf die Lippen. Draußen ertönte das Lachen mehrerer Männer, die so betrunken waren, dass sie selbst darüber gelacht hätten, wenn jemand ihre Großmutter aus einem Fenster geworfen hätte. Agnes wurde schlecht. Noch vor wenigen Tagen wäre sie bereit gewesen zu glauben, dass diese Männer, hätte man sie nüchtern angetroffen, vermutlich halbwegs zivilisierte, anständige Gesellen gewesen wären, die sich sogleich bereit erklärt hätten, eine Frau nach Hause zu eskortieren – anstatt lachend Schlange zu stehen, um sie mitten in einer Gasse zu schänden und danach zu töten.
    Dann hatte sie die Berichte über die Taten der Landsknechte vernommen: von Familienvätern, die lebendig angezündet wurden, wenn sie ihre Lieben zu schützen versuchten, von Kleinkindern, die mit den Piken aufgespießt und durch die Luft geschleudert wurden, noch zappelnd, noch lebend, noch schreiend, von Schwangeren, die kopfunter an Türstöcke gehängt und denen die Kinder aus dem Leib geschnitten wurden. Erzherzog Fürstbischof Leopold I. hatte die Passauer Landsknechte im Auftrag von Kaiser Rudolf in seinem Bistum angeworben, dann nicht eingesetzt und im Stich gelassen. Die kranken, in ihren Zelten dahinvegetierenden, halb verhungerten Männer hatten sich schließlich selbständig gemacht und waren plündernd bis nach Prag gezogen, um, wie sie sagten, den Kaiser zu schützen. Die protestantischen Ständetruppen Prags hatten sie an der Überquerung der Moldau gehindert, ihnen aber fürs Erste die Kleinseite überlassen.
    Agnes hörte das Klirren von Geschirr und Glas von der Gasse und das Geräusch der Fausthiebe, mit denen die Gruppe von Soldaten einige der Nachbarn hin- und hertrieb.Sie wusste, dass diese Rohheit noch gar nichts war, und sie ahnte, dass sich die Landsknechte an den ausgeschlagenen Zähnen und gebrochenen Nasen ergötzten und hochschaukelten. In einer Viertelstunde würde es die ersten Toten geben, dazu das Geschrei der Frauen und Mädchen, die aus den Häusern gezerrt wurden … Sie schluckte trocken. Was sollte sie tun?
    Dann hörte sie den Anführer der Landsknechte rufen: »He, ihr Trottel, wo habt ihr eure Weiber? Bringt sie raus!«, und ihr wurde eiskalt. Niemand von den draußen Gequälten würde hier hereinkommen, aber das hieß nur, dass die Soldaten selbst nachsehen würden. Sie wechselte einen Blick mit der Schwangeren und krümmte sich innerlich vor der Todesangst, die sie darin sah; sie blickte in Alexandras Augen und erkannte die gleiche Angst darin, nur gefasster, nicht an der Schwelle der Panik. Plötzlich wusste sie, was ihre einzige Möglichkeit war.
    Alexandras Augen weiteten sich, als habe sie die Absicht ihrer Mutter in deren Blick gelesen. Sie öffnete den Mund. Agnes nickte ihr zu, drängte die Tränen zurück, die ihr in die Augen schossen, und schlüpfte zur Tür hinaus.
    »Da kommt ja eine freiwillig«, grölte ein Landsknecht nach einer langen Überraschungspause. »Die hat es nötig, Leute!«
    Agnes musterte die Männer gelassen. Sie hatte nicht erwartet, dass sie sie mit einem Blick würde einschüchtern können. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie kaum Luft bekam. Die halb besinnungslos geprügelten Männer auf dem Boden hoben resigniert die Gesichter in ihre Richtung.
    »Das ist ja ’n resches Huhn! Sind da noch mehr, wo du hergekommen bist, Süße?«
    Agnes nickte.
    »Dann hol sie raus, oder wir holen sie.«
    Agnes dachte an ihren Mann Cyprian, wünschte sich, sie hätte ihm mitteilen können, in welcher Lage sie war, undfühlte zugleich Dankbarkeit, weil er ihr vor zwanzig Jahren die Lösung gezeigt hatte, mit der sie der Lage hier würde entkommen können.
    »Holt sie euch selbst«, sagte sie. »Aber beeilt euch, solange sie noch warm sind.«
    »Hä?«
    Agnes schwankte. Es bereitete ihr

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