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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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die Feder in das Tintenfass und zog den ersten Abstrich des ersten Buchstabens auf das Pergament. Sein Unterbewusstsein erinnerte sich an die nächste Anweisung.
    »Bist du jetzt endlich so weit?« Graf Martinitz’ Stimme war mit Glasscherben und Messerklingen versetzt.
    Wenzel biss in die Feder und versuchte, einen Teil der Federn mit den Zähnen abzureißen. Sie saßen überraschend fest. Er riss stärker daran. Die Federn lösten sich mit einem Ruck. Die frisch aufgenommene Tinte spritzte davon. Nuntius Gesualdo sah an seiner Soutane herab und tupfte mit den Fingerspitzen auf eine Stelle. Die Fingerspitzen wurden schwarz. Gesualdo betrachtete sie fassungslos. Wenzel saß da mit den Federn im Mund. Er wandte den Kopf ab und spuckte sie aus. Die Federn taumelten zu Boden. Von der Schreibfeder in seiner fühllosen Hand löste sich ein Tintentropfen und fiel haarscharf neben dem Pergament auf den Tisch.
    »Jetzt bin ich so weit«, flüsterte Wenzel und versteckte den Tintenklecks auf dem Tisch unter seinem Ärmel. Er fühlte die Nässe durch den Stoff dringen. Vage erinnerte er sich daran, dass er für heute seine beste Kleidung angelegt hatte. Dann sah er, dass sogar König Ferdinand ein paar schwarze Spritzer im Gesicht hatte. Er hatte es anscheinend nicht bemerkt. Wenzel konnte sich im letzten Moment zurückhalten, ihn darauf aufmerksam zu machen. Lass mich sterben, betete er in Gedanken, lass mich sterben, Herr, auf der Stelle, bitte …
    »Der Heilige Stuhl hat in der Vergangenheit keinerlei Schwierigkeiten damit gehabt, Stellung zu beziehen«, sagte König Ferdinand. »Zum Beispiel, als dieser Giordano Bruno verbrannt wurde.«
    »Ah ja, Majestät … nun, das war seinerzeit Papst Clemens.« Gesualdo hüstelte. »Majestät werden sich erinnern, dass der Mönch nur ein paar verirrte Anhänger hatte. Außerdem ist das fast zwanzig Jahre her. Die Zeiten haben sich geändert.«
    »Als es gegen die Hussiten ging, zögerte der Heilige Stuhl auch nicht. Und die Hussiten hatten jede Menge Anhänger.«
    »Majestät müssen nur in den Chroniken nachlesen, wie das Land durch die Hussitenkriege verwüstet wurde.«
    »Verwüstet?« Graf Martinitz ging plötzlich hoch wie ein Hefeteig. »Die Verwüstung findet doch schon statt! Ich wollte es nicht erwähnen, aber in meinem Haus liegt ein junger Mann, mein geliebter Neffe! Er ist von Protestanten überfallen worden, hier, direkt in Prag! Unter unserer Nase! In unseren Gassen! Sie haben ihn verprügelt und dann halb tot in der Gosse liegen gelassen. Sie haben ihm den Kiefer gebrochen und die Zähne ausgeschlagen, aus keinem anderen Grund, als dass er katholischen Glaubens ist. Wollen Sie warten, bis die ersten katholischen Pfarrer blutig geschlagen am Ufer der Moldau liegen, Exzellenz? Ich sage: Keine Gnade mit Separatisten, Rebellen, Ketzern und Totschlägern!«
    »Zum Teufel«, sagte König Ferdinand mit kalter Wut. »Wir haben mit Unserem geliebten Oheim Maximilian von Bayern und mit jedem einzelnen Mitglied der Katholischen Liga verhandelt – mit dem Bischof von Köln, von Mainz, von Trier, von Würzburg! Wir sind persönlich bei den Verhandlungen zugegen gewesen. Ohne Uns wäre die Gegenreformation in den letzten Jahren keinen Schritt weitergekommen, und vermutlich wäre bereits ganz Böhmen protestantisch. Ist das der Lohn? Dass die Familien Unserer Statthalter in der böhmischen Hauptstadt angegriffen werden? Sagen Sie demHeiligen Vater, dass Wir Uns daran erinnern werden, wie wenig er Uns in Unserer großen Aufgabe unterstützt hat, wenn Wir erst Kaiser sind … Bei allen Heiligen, Mann, was sollen diese Mundbewegungen? Bist du ein Fisch? Spuck’s aus, was du sagen willst!«
    »P… Punkt!«, sagte Wenzel mit geschlossenen Augen und in der absoluten Gewissheit, sein eigenes Todesurteil verlangt zu haben.
    Von draußen erklangen ein gedämpfter Ruf und das Vibrieren laufender Füße, an denen schwere Stiefel steckten. Dann platzten beide Türen fast gleichzeitig auf, und ein Gemenge aus Armen und Beinen rollte herein. Die Männer sprangen auf. Die Tischplatte hüpfte, Wenzels Tintenfass kippte um und goss einen schwarzen See über die hastig hingekritzelten Zeilen auf dem Pergament. Das Gewimmel auf dem Fußboden fluchte mit zwei Stimmen und versuchte, sich zu befreien. König Ferdinand zerrte sein Rapier heraus. Wenzel erkannte Soldatenstiefel, einen breitkrempigen Hut und einen massiven Gürtel mit leerer Schwertscheide, dazwischen eine leichte bunte Jacke und

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