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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Kopulationen am Rande einer Feierlichkeit in einem Hauseingang beschränkt hatten, Begegnungen, denen jede Raffinesse jenseits der alten Übung rein, raus, rein, raus gefehlt hatte. Dass er selbst dabei nur an Alexandra gedacht und sich gleichzeitig dafür geschämt hatte, würde er nicht einmal auf dem Totenbett beichten.
    Philipp lächelte und schien genau zu wissen, was Wenzel gedacht hatte. Wäre Wenzel ein älterer Hase gewesen, wäre ihm klar gewesen, dass der Erste Schreiber das plötzliche Misstrauen seines jungen Gesprächspartners gespürt und seine Gedanken in eine Bahn gelenkt hatte, in der sie genügend mit sich selbst beschäftigt waren.
    »Das Pergament, das hier verwendet wird«, sagte Philipp, »ist ganz neu. Entsetzlich, kann ich dir sagen. Die Feder gleitet ab, die Tinte verläuft und trocknet in tausend Jahren nicht, und jeder Strich quietscht und kratzt, bis alle anderen im Raum nur noch darüber nachdenken, wie sie dich ermorden können.«
    »Was soll ich tun?«
    »Du musst draufspucken. So richtig aus vollem Herzen … so …« Philipp räusperte einen imaginären Schleimbatzen herauf und tat so, als wolle er ihn auf den Tisch spucken. Wenzel schüttelte sich. »Dann verreibst du den Hering … so …« Philipp zog den Ärmel über den Handballen und machte kreisende Handbewegungen, als massiere er etwas in die Tischplatte ein. »Das hilft.«
    »O mein Gott«, sagte Wenzel und versuchte, sein Morgenmahl bei sich zu behalten. Vor seinem geistigen Auge tauchten die Tausende von Pergamenten auf, die er während seiner Zeit bei »Khlesl & Langenfels« in den Händen gehalten hatte. Manche davon waren tatsächlich neu gewesen. Seine Handflächen juckten und fühlten sich unvermittelt klebrig an.
    »Wenn du vor allen anderen drin wärst, würde ich dir raten drüberzupissen, aber ich glaube, das kannst du heute nicht bringen.« Philipp schien ehrlich betrübt.
    »Dem Herrn sei Dank«, sagte Wenzel schwach.
    »Was die Feder betrifft – du musst ein Stück vom Federkiel abbeißen und auf den Boden spucken.«
    »Was ist denn das für ein Aberglaube?«
    »Einer, an den Graf Martinitz glaubt«, sagte Philipp. »Außerdem liegt dir sonst die Feder nicht richtig in der Hand beim schnellen Schreiben.«
    Wenzel senkte den Kopf. Er fühlte sich milde zurechtgewiesen. »Ist gut«, sagte er.
    »War noch was?«, murmelte Philipp und wandte den Blick gegen die Decke. »Lass mich mal nachd… Ja, genau, die meisten Männer reden wie ein Wasserfall und finden sich nachher in ihren eigenen Gedanken nicht mehr wieder. Es hilft ihnen, wenn du nach jedem vollendeten Satz laut ÝPunkt!Ü rufst.«
    »Ist das wahr?«
    »Was soll diese Frage bedeuten?«
    »Entschuldige, Philipp«, sagte Wenzel mit dem Gefühl, er nähere sich einem donnernden Mahlstrom und das Einzige, was er zum Paddeln hätte, wäre ein Grashalm.
    Philipp Fabricius klopfte Wenzel auf die Schulter. »Du schaffst das, Kleiner.«
    »Wenzel«, sagte Wenzel.
    »Also, hast du dir alles gemerkt? In Latein übersetzen, die Spucke einmassieren, ÝPunkt!Ü schreien. Sprich mir nach.«
    Wenzel wiederholte die Anweisungen, während Philipp ihn auf die Tür des Kabinetts zuschob, zu dem man ihn gerufen hatte.
    »Und es sind sicher nur der Graf und Herr Slavata zugegen?«
    »Wahrscheinlich nicht mal die, sondern bloß ihre Sekretäre. Mach dir nicht ins Hemd, Kleiner. Ach ja, Slavata sieht esgern, wenn die Schreiber ein Ritual vollführen, bevor sie anfangen.«
    »Ein Ritual?«, quakte Wenzel am Ende seiner Kräfte.
    »Er hat das mal bei einem Poeten gesehen. Was hast du für ein Ritual, Kleiner?«
    »Ich will das nicht tun. Spring du für mich ein, Philipp.«
    »Papperlapapp. Jeder hat seinen ersten Einsatz. Komm, du kannst mein Ritual verwenden, bis du selbst eines gefunden hast. Mir hat’s immer Glück gebracht.«
    »Danke.«
    »Es geht so: Du setzt dich hin, dann stehst du wieder auf, umrundest deinen Hocker, deutest auf das Pergament, steckst dir den Finger in den Mund und lässt ihn ploppen, setzt dich wieder hin, reibst die Feder zwischen Händen und sagst laut: Können wir endlich anfangen, bei Apoll?«
    »Niemals«, sagte Wenzel fest.
    »Jeder ist seines Glückes Schmied«, erklärte Philipp.
    »Und es sind wirklich nur der Graf und Herr Slavata …?«
    »… ihre Sekretäre!«
    »Also gut.«
    »Du wirst sie alle von den Stühlen reißen.« Philipp öffnete die Tür und schob ihn hindurch. »Hals- und Beinbruch, Kleiner.«
    »Wenzel«, sagte Wenzel,

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