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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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dann stand er vor der zweiten Tür, die direkt in das Kabinett führte, holte tief Atem und trat ein.
    Hatte er gedacht, es sei wie der Eintritt in einen Mahlstrom mit einem Grashalm als Paddel?
    Es war viel schlimmer.
    »Das hat aber gedauert«, sagte Graf Martinitz ungnädig. Sein Haar war gesträubt, er schien kurz vor der Explosion zu stehen. Nach seiner Begrüßung musterte er Wenzel. »Du lieber Gott, der Neue!«
    »Er schafft das schon«, sagte Wilhelm Slavata. »Nicht wahr, Ladislaus?«
    »Wenzel«, hauchte Wenzel. Ihm war schlecht. Um den Tisch in dem kleinen Kabinett saßen fünf Männer. Zwei davon waren Graf Martinitz und Wilhelm Slavata. Von ihren Sekretären war nicht die geringste Spur zu sehen. Der dritte Mann war Reichskanzler Lobkowicz. Der vierte Mann war König Ferdinand. Wenzel sank auf die Knie und versuchte vergeblich, ohnmächtig zu werden. »Majestät«, stammelte er.
    »Keine Förmlichkeiten«, sagte der König und hörte sich an wie jemand, der sagte: Hängt ihn auf, den Kretin!
    Wenzels Augen saugten sich an dem Mann in der Soutane fest.
    »Das ist Patriarch Ascanio Gesualdo, der Apostolische Nuntius von Papst Paul V.«, sagte Wilhelm Slavata. »Nur keine Angst, mein Junge. Setz dich hin, und tu deine Pflicht.«
    In Wenzels Ohren gellten Kirchenglocken, als er auf seinen Platz am unteren Ende des Tisches zusteuerte. Sein Hirn war leer. Irgendwo in dieser hallenden Leere trieb der einsame Gedanke, dass Philipp ihm einen Streich gespielt hatte, aber der Gedanke konnte nirgendwo in der Panik Fuß fassen. Sein Überlebensinstinkt griff nach dem nächsten Strohhalm, fand die Ratschläge von Philipp Fabricius und klammerte sich dankbar daran fest.
    Wenzel setzte sich, stand auf, umrundete seinen Platz, streckte einen Finger in Richtung Pergament aus und ließ den anderen schallend aus seinem Mund ploppen, nahm wieder Platz und quiekte: »Fangen wir endlich an, beim Zeus?« Seine Blicke – die eines Kaninchens, das sich fünf Schlangen gegenübersieht – zuckten um den Tisch herum.
    Das Schweigen war eisig. Graf Martinitz lief rot an. Der König schob seinen prominenten Unterkiefer vor wie einen Belagerungsturm. Der päpstliche Botschafter betrachtete seine Fingernägel. Wenzel wünschte sich zu sterben. Sollte vorhernoch eine Chance bestanden haben, eigene Gedanken zum Ablauf einer Protokollsitzung in Gegenwart der höchsten Würdenträger des Reichs zu entwickeln, war diese nun endgültig dahin.
    »Hochwürdigste Exzellenz, wir sind uns einig«, sagte Wilhelm Slavata in die Stille, »dass der befohlene Abriss der protestantischen Kirche in Klostergrab nicht nur rechtens war, sondern auch vom Heiligen Vater gewünscht.« Er hatte ein paar Schweißtropfen auf der Stirn.
    »Der Heilige Vater wurde nicht davon in Kenntnis gesetzt«, erwiderte Ascanio Gesualdo.
    »Doch, wurde er schon«, knurrte Martinitz.
    »Ja, aber leider erst hinterher.«
    »Wir haben drei Brieftauben losgeschickt …«
    »Gott der Herr muss sie alle in den Weg von Falken geführt haben.«
    »Wir haben eine Rückantwort erhalten, und sie gab uns den päpstlichen Segen.«
    »Da muss es sich um ein Missverständnis handeln«, sagte der Nuntius vollkommen unbeeindruckt.
    »Wann fängst du eigentlich zu protokollieren an, Bursche?«, fragte Graf Martinitz.
    Wenzel starrte voller Horror das Blatt vor sich an. Es war frisches Pergament und roch noch schwach nach Gerberei und totem Fleisch. Seine Oberfläche schimmerte matt; sie machte den Eindruck, dass jeder Tintenstrich auf ihr sofort zusammenlaufen und herabrinnen würde wie ein Wassertropfen auf Wachs. Es konnten doch nicht alle von Philipps Ratschlägen ein böser Scherz sein!
    »Majestät, meine Herren, die Lage ist doch eindeutig …«, begann Gesualdo. Wenzels verzweifeltes Räuspern unterbrach ihn. Haark! »Wenn der Heilige Vater so eindeutig Stellung bezieht …« Ptui! Gesualdos Augen weiteten sich. Seine Stimme erstarb. Fünf Augenpaare hingen an den kreisendenBewegungen, mit denen Wenzel einen gewaltigen Hering in das Pergament rieb. Es quietschte rhythmisch. Wenzel starrte verbissen seine eigene Hand an, aber dann wurde ihm bewusst, dass er etwas sagen musste.
    »Pergament zu glatt«, murmelte er und versuchte, genug Mut zu finden, den Blick zu heben. Als es ihm gelang, begegnete er ausgerechnet dem des Königs. Ferdinand sah aus, als werde er jeden Moment den Befehl zur Hinrichtung erteilen.
    Das Pergament lag nun schlaff und matt auf dem Platz. Wenzel tauchte

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