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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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Plötzlich hörten sich seine Beweggründe für Wenzel selbst läppisch an. »Ich wollte auf eigenen Beinen stehen und nicht mehr unter dem Schutz meines Vaters.« Dieser Schutz war nicht spürbar gewesen. Es hatte eine unausgesprochene Übereinkunft geherrscht, dass Wenzel während seiner Arbeitsstunden im Kontor der Firma nicht anders behandelt wurde als jeder andere – so wie auch Cyprian und Andrej sich bei aller Freundschaft zweimal im Jahr zusammensetzten und ganz nüchtern aufrechneten, wo die Firma stand, wer welchen Beitrag geleistet hatte und welche Fehler man in Zukunft vermeiden musste. Doch es gab keinen Grund, dem rotgesichtigen Philipp Fabricius zu gestehen, dass Wenzel die Firma Alexandras wegen verlassen hatte. Ihre ständige Anwesenheit war mehr gewesen, als er auf Dauer ertragen hatte. Es war schon schlimm genug, verliebt zu sein, ohne auf die Erfüllung der Liebe hoffenzu dürfen; das Objekt seiner Sehnsüchte ständig vor Augen zu haben war die reine Folter.
    »Hast du schon mal Protokoll geführt?«
    »Bei geschäftlichen Besprechungen … ja.«
    »Hier geht’s um Staatsaffären, Kleiner!«
    »Wenzel. Und ich nehme an, auch bei Staatsaffären hält der Protokollant nur fest, was die beteiligten Parteien sagen.«
    Fabricius lächelte. Er war ein stämmiger Mann mit einem Gesicht, das zehn Jahre älter aussah, als er tatsächlich war, mit dicken Säcken unter den Augen und aufgeschwollenen Wangen, auf denen geplatzte Äderchen jeweils ein rotes Flussdelta bildeten. Fabricius hielt sich viel darauf zugute, der Seniorschreiber zu sein. Noch mehr bildete er sich auf seine Trinkfestigkeit und seine Erfolge bei den Frauen ein. Manchmal schlief er während des Tages ein. Von den anderen Schreibern hatte Wenzel jedoch erfahren, dass ihm bei Protokollsitzungen keiner das Wasser reichen konnte. Es kam vor, dass er mit einem Satz fertig war, bevor der Sprecher ihn beendet hatte. Wenn man ihn dann – misstrauisch geworden – vorlesen ließ, was er geschrieben hatte, stellte sich heraus, dass der Sprecher genau das hatte sagen wollen. Philipp Fabricius hätte besoffen und auf allen vieren in die Burg kriechen können, und man hätte ihn nicht gerügt. Was seine Arbeit anging, war er ein Genie, und dass er damit nicht herumprahlte, bewies, dass er es wusste, ebenso wie er wusste, dass sein Talent hier eigentlich verschwendet war. Wenzel hatte noch keinen Trinker getroffen, der nicht einen Grund dafür vorbringen konnte.
    »Als Erstes solltest du wissen, dass du alles in Latein schreiben musst.«
    »Was? Davon hat mir niemand …«
    »Kannst du etwa kein Latein?«
    »Na ja … schon … zumindest …«
    »Das Schwierige ist«, sagte Fabricius und legte bedeutungsvoll einen Finger an die Nase, »dass natürlich keinerwährend des Treffens Latein spricht. Du musst also übersetzen, während du schreibst.«
    »Du lieber Himmel.«
    »Tja, Kleiner. Hier scheiden wir die Schreiber von den Tintenklecksern.«
    »Ich kann das«, sagte Wenzel mit dem Mut der Verzweiflung.
    »Gut!« Fabricius strahlte. »Und jetzt verrate ich dir noch ein paar Tricks, damit du nicht vollkommen grün wirkst, wenn du deinen ersten Einsatz hast.«
    »Worum geht es überhaupt in dieser Zusammenkunft?«
    »Keine Ahnung. Wenn du dein Protokoll gelesen hast, weißt du’s.«
    »Und wer nimmt daran teil?«
    »Der Apostolische Nuntius? Der König? Der Geist von Ritter Dalibor?«
    »Schon gut, schon gut. Wenn ich mein Protokoll gelesen habe …«
    »Genau«, sagte Philipp. Wenzel versuchte, seinen Blick zu deuten. Er war fast sicher, dass der ältere Schreiber log.
    »Was muss ich noch beachten?«, seufzte Wenzel schließlich.
    »Frisches Pergament ist steif«, erklärte Philipp, offensichtlich zufrieden, dass sein Wissen gefragt war. »Pergament wird erst schön, wenn du eines erwischst, das hundert Jahre lang tief in einer Truhe gelegen hat und von dem deine Vorgänger schon zweimal die Schrift abgekratzt haben. Du kratzt sie ein drittes Mal ab, und was dann vor dir auf dem Tisch liegt, fügt sich deiner Feder so geschmeidig wie eine Möse deiner Zunge, wenn du sie lange genug geleckt hast.« Er fasste Wenzel ins Auge. »Du weißt schon, wovon ich rede, Kleiner?«
    »Was das Pergament betrifft: nein«, sagte Wenzel bissig, der auch hinsichtlich der anderen Sache nicht Bescheid wusste, sich aber lieber die Zunge abgebissen hätte, als zuzugeben, dass seine bisherigen intimen Kontakte zu Frauen sich auf Winkelhäuser oder hastige

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